Gold und 8-Jahreszyklik - sehr starker Beginn hat bullische Implikationen » |
Goldpreis: Auch durch saisonale Einflüsse nicht zu stoppen
von Andreas Speer 15.06.10 08:46:35
Vor dem Hintergrund des saisonüblichen Verlaufsmusters am Goldmarkt mag sich so mancher Anleger in den letzten Tagen die Frage gestellt haben, wie nachhaltig der jüngste Anstieg des Goldpreis in US-Dollar sein würde. Gelten die Monate Juni bis August doch sprichwörtlich als Flautemonate, in denen der Goldpreis (USD/oz) zumeist Konsolidierungsphasen durchläuft. Erfahrene Goldanleger warten während dieser Zeit geduldig auf günstige Einstiegskurse, um sich für den September zu positionieren, den im Durchschnitt stärksten Monat im Jahresverlauf. Wir kommen zu dem Schluss, dass eine Fortsetzung der am 21. Mai 2010 begonnenen Aufwärtsbewegung ungeachtet der saisonalen Einflüsse wahrscheinlich ist. Dafür spricht der historische Vergleich der Veränderungen in der relativen Performance von Gold (USD/oz) gegenüber dem US-Dollarindex, der sechs der weltweit wichtigsten Währungen handelsgewichtet miteinander kombiniert.
In der englischen Sprache werden am Goldmarkt die Sommermonate häufig mit dem Wort „doldrums“ sehr trefflich beschrieben. Der Begriff wird in diesem Zusammenhang wohl am besten mit „Flaute“ ins Deutsche übersetzt, denn er soll im Allgemeinen eine ereignisarme Zeit beschreiben. Das Wort „doldrums“ hat tatsächlich einen nautischen Ursprung, denn mit diesen Begriff hatten englische Seefahrer früher den Kalmengürtel bezeichnet, ein überwiegend windarmes Gebiet im Bereich des Äquators oder auch innertropische Konvergenzzone genannt, da hier recht warme Luftmassen zusammenlaufen. Diese schwüle und heiße Region erfreute sich unter Seeleuten keiner großen Beliebtheit, da Segelschiffe oft monatelang in der Flaute festsaßen.
Für diese im Allgemeinen ereignisarme Zeit am Goldmarkt gibt es drei wesentliche Gründe. Erstens herrscht auf der nördlichen Erdhalbkugel Urlaubszeit. Viele Marktteilnehmer sind deshalb nicht im vollen Umfang wie zur restlichen Jahreszeit üblich am Goldmarkt präsent. Zweitens nimmt die Nachfrage aus der Schmuckindustrie üblicherweise erst nach den Sommermonaten in Vorbereitung auf das umsatzstarke Weihnachtsgeschäft wieder signifikant zu. Drittens steigt auch die Goldnachfrage aus den ländlichen Regionen Indiens erst im September typischerweise wieder kräftig an, da dann die Ernteerlöse zur Verfügung stehen, um die Mitgift der Braut (Schmuckgold) für die bevorstehende Hochzeitssaison zu erwerben.
Andererseits haben wir in dem am 13. Mai 2010 erschienenen Artikel „Goldpreis und USD im Gleichlauf – Vertrauen in Währungen erodiert weiter“ dargelegt, dass sich der Goldpreis gewissermaßen in einem „Ausnahmezustand“ befindet, der aus gutem Grund nach wie vor weiter anhält. Damals schrieben wir: „Obwohl aufgrund der eskalierenden Schuldenkrise im Euroraum dieses Mal der Vertrauensverlust gegenüber der europäische Einheitswährung im Vordergrund stand, wovon der US-Dollar im Verhältnis zum Euro aber auch zu anderen Währungen profitieren konnte, zeigt doch gerade die Tatsache, dass der Goldpreis zeitgleich mit dem US-Dollarindex angestiegen ist, dass Gold erneut als der wahre sichere Hafen gilt.” Da sich der Goldpreis (USD/oz) und der US-Dollarindex weiterhin tendenziell in die gleiche Richtung bewegen und zwar in den letzten drei Wochen zumeist nach oben - der Goldpreis (USD/oz) dabei prozentual noch stärker als der US-Dollarindex - hält der Vertrauensverlust gegenüber Papierwährungen unverändert an. Folglich gehen wir davon aus, dass auch die Investmentnachfrage nach Gold in den Sommermonaten nicht abebben wird. Denn immer mehr Anleger suchen ein alternatives Wertaufbewahrungsmittel.
Ein historischer Vergleich der Veränderungen der relativen Performance von Gold (USD/oz) gegenüber dem US-Dollarindex verschafft uns hierzu weitere interessante Einblicke. Durchlief der Goldpreis (USD/oz) in dem neun Jahre alten Gold-Bullenmarkt in den Monaten Mai, Juni oder Juli eine Korrektur - eine Schwächephase auf absoluter Basis – während der von uns entwickelte Real Gold Strength Indicator (RGSI) zeitgleich eine Stärke auf relativer Basis anzeigte (bullische Divergenz), hatte dies positive Implikationen für die absolute Performance des Goldpreis (USD/oz) auf Sicht von 1-3 Monaten. Relative Stärke definieren wir wie folgt: Der US-Dollarindex fällt und der Goldpreis (USD/oz) steigt im gleichen Zeitraum prozentual stärker an. Der US-Dollarindex steigt und der Goldpreis (USD/oz) fällt prozentual weniger stark oder der äußerst seltene Fall, dass der US-Dollarindex und der Goldpreis (USD/oz) zeitgleich ansteigen. In dem am 15.03.2010 veröffentlichten Artikel „Goldpreis mit enormer relativer Stärke gegenüber USD“ haben wir erläutert, mit welcher Methodik wir Veränderungen in der relativen Performance von Gold (USD/oz) gegenüber dem US-Dollarindex aufspüren und systematisch mit früheren Phasen vergleichen, um daraus Erkenntnisse für die zu erwartende absolute Performance von Gold (USD/oz) zu gewinnen.
In dem neun Jahre alten Gold-Bullenmarkt sind diese bullischen Divergenzen relativ selten während der Monate Mai, Juni oder Juli aufgetreten, nämlich in den Jahren 2001 (Mai), 2004 (Juli) und 2005 (Mai und Juli). Interessant erscheint uns zudem der Hinweis, dass die bullische Divergenz im Juli 2005 im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren relativ stark ausfiel (hoher RGSI-Wert). Dies hatte positive Implikationen für die absolute Performance von August bis September und womöglich weit darüber hinaus. Denn langjährige Goldanleger wissen, dass der Goldpreis im Sommer 2005 begonnen hatte, gegenüber allen wichtigen Währungen der Welt nachhaltig anzusteigen. Rückblickend kann man feststellen, dass zu diesem Zeitpunkt die Investmentnachfrage nach Gold deutlich zuzunehmen begann und die Aufwärtsbewegung des Goldpreis (USD/oz) eine Beschleunigung erfuhr.
Zurück zur aktuellen Entwicklung. In Graphik 1 können wir erkennen, dass sich nun im Monat Mai 2010 erneut eine bullische Divergenz (Pfeilmarkierung) auf Wochenschlusskursbasis ausgebildet hat. Die Stärke dieser Divergenz ist dabei wesentlich ausgeprägter (höherer RGSI-Wert) als diejenige im Sommer 2005. Die Graphik 2 zeigt zudem, dass sich auf dem Tageschart zeitgleich eine bullische Divergenz entwickelt hat. Wir bewerten diesen Umstand sehr positiv für das gelbe Metall auf Sicht von 1-3 Monaten, denn offensichtlich nutzen starke Hände die Goldpreiskorrektur zum Auf-/Ausbau von Positionen.
Fazit: Wir gehen davon aus, dass sich die saisonübliche “Flaute” am Goldmarkt dieses Jahr nicht einstellen wird, denn der Goldpreis (USD/oz) befindet sich nach wie vor im “Ausnahmezustand”. Der Zusammenbruch der jahrzehntelang weitgehend stabilen negativen Korrelation zwischen dem Goldpreis (USD/oz) und dem US-Dollarindex markiert einen signifikanten Vertrauensverlust gegenüber allen Papierwährungen. Dies wird über kurz oder lang den Goldpreis (USD/oz) weiter nach oben treiben.
Den vollständigen Artikel einschließlich sämtlicher Graphiken finden Sie unter http://www.pdfverzeichniss.uhu-und-specht.de/GoldUSDJun10.pdf
© Andreas Speer
Senior Economist und Commodity Analyst
3 Kommentare
Kommentare sind für diesen Beitrag deaktiviert.