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Weise oder unverschämt?
von Jan Kneist 28.06.10 11:42:27
Diese Woche war nicht nur von der Fußball-WM geprägt, sondern auch von einigen leicht irritierenden Aussagen von jenseits des Atlantiks. Aussagen, die bei einigen, sonst ergeben katzbuckelnden deutschen Politikern, Verwunderung, ja sogar verschämten Widerspruch auslösten!
US-Präsident Obama fordert von den G20 neue Schulden, um die Weltwirtschaft nicht erneut abzuwürgen. Im Duett dazu teilte Nobelpreisträger Paul Krugman aus und bezeichnete Bundesbankpräsident Weber als Risiko für die Weltwirtschaft, sollte der neuer EZB-Präsident werden. Hinzu gesellt sich noch George Soros, ein skrupelloser Spekulant, der sich gern als Mäzen gibt, mit der Aussage, Deutschland gefährde mit seiner Sparpolitik die Währungsunion. Sind diese Leute jetzt völlig abgehoben oder steckt gar mehr dahinter?
Der Reihe nach und zunächst zu Obama. Die USA finden sich in der Situation, quasi unbegrenzt Neugeld schöpfen zu können, das ihnen in Form von Anleihen vom Ausland oder ihrer ZB zur Verfügung gestellt wird. Sie zehren vom Status als Reservewährung, jedes andere Land wäre bei dieser Art Schuldenwirtschaft schon zur Bananenrepublik herabgesunken. Sparen bräche ihrer finanzlastigen Wirtschaft sofort das Genick. Wir kommen darauf noch zurück. Also Obama kann überhaupt nicht sparen ohne abzustürzen! Im Gegenteil, da die Privatpersonen als „verschuldbare“ Masse im wesentlichen ausfallen und deren Insolvenzen sogar die Forderungen und damit Geldmengen vernichten, muß der US-Bundesstaat mit AAA-Rating massiv aufschulden. Zur Zeit hilft ihnen noch die Euro-Krise und die Angst vor einem Konjunkturabsturz, was den US-Bond-Absatz nicht hat völlig einbrechen lassen, wir wissen aber, daß die FED massiv US-Bonds aufkauft und falsche Nachfrage vorgaukelt.
In Deutschland sieht es noch anders aus, auch wegen der PIGS-Krise reißen sich alle um Bundesanleihen, die Renditen sinken immer weiter, während die der PIGS ansteigen, als gäbe es keinen Rettungsschirm. Deutschland wird als Buhmann hingestellt, doch die Fakten sehen anders aus. Bis 2014 sollen 80 Mrd. € „eingespart“ werden, also durchschnittlich 20 Mrd. pro Jahr. Man wird etwas am Elterngeld und am Heizkostenzuschuß streichen, 10.000 Stellen beim Bund abbauen, einige Subventionen vermindern, eine Luftverkehrsabgabe einführen, die Stromkonzerne mit einer Brennelementesteuer belegen etc. Die ohnehin schwache Binnenkonjunktur wird damit einen weiteren, leichten Dämpfer erhalten. Beschlossen ist das Paket längst nicht, schon haben diverse Gegner, von SPD, Linken bis zu den Gewerkschaften Widerstand angekündigt. Selbst wenn es beschlossen würde, ist die Bezeichnung „Sparprogramm“ ein Witz, denn es wird ja nur die Neuverschuldung etwas gesenkt! Krugmans Aussage, „wenn die Deutschen 80 Mrd. Euro weniger ausgeben, spürt man das auch in den Nachbarländern“ entlarvt sich sofort als barer Unsinn. Höchstens der Konsum wird erneut etwas nachlassen, damit auch die Importe. Da die USA ohnehin kaum etwas exportieren, kann das nicht der Grund für Krugmans Gerede sein. Nein, das Problem ist viel grundsätzlicher, der Welt gehen nämlich die guten Schuldner aus. Der Kapitalismus als Kettenbrief, der nur mit immer mehr neuen Schulden funktioniert, stößt an seine Grenze, weil nicht mehr schrankenlos weiter aufgeschuldet werden kann. Vergessen Sie die Ratings der Agenturen, echtes Vertrauen genießen noch Deutschland und einige Länder ringsherum, Kanada und natürlich China, die jetzt langsam ihr Geld aufwerten. Nur das sind noch GUTE Großschuldner. Die Ironie ist, daß gute potentielle Schuldner leider eher Gläubiger sind aufgrund ihrer Handelsüberschüsse! Die Eskapaden des angelsächsischen Lagers sind also pure Verzweiflung. China ist nicht stark genug, um seine Einwohner „ausreichend“ zu verschulden, um den Westen vom Haken zu holen, seine Währung nicht frei konvertierbar. Vom Ausland brauchen sie aufgrund des Handels eh keine Kredite. Die Schweiz, Niederlande, Luxemburg, Österreich, Finnland und selbst Kanada sind zu klein, um beizutragen. Bleibt nur Deutschland, das auch traditionell immer alles bezahlt hat. Da der Michel sich als begrenzt verschuldungsfreudig erwiesen hat (er ist so verrückt, sein Eigenheim wirklich abzuzahlen), muß also der Staat her, doch der ziert sich! Als allerletzter Rettungsanker bleiben die Notenbanken, die natürlich beliebig viel Geld „herstellen“ können, FED und BOE tun das schon länger, die EZB hat damit begonnen. Erneut gegen die lernresistenten Teutonen.
Worauf wird es jetzt hinauslaufen? Man wird vermutlich weltweit die Medienkampagnen der angeblich „brutalen“ Sparmaßnahmen fortsetzen (bestes Beispiel jetzt in England), tatsächlich aber nicht oder nur marginal sparen und die Notenbanken immer stärker zur Monetisierung heranziehen. Echtes Sparen gänge nur, wenn man den Gläubigern einen Kapitalverzicht abringt. Rein pragmatisch gesehen wird sich Merkel entscheiden müssen, entweder selber mehr Schulden zu machen und damit hier die Wirtschaft anzukurbeln und so die Schuldenlast der Wirtschaft zu mindern (wie die oben Genannten fordern) oder weitere Transfers Richtung Mittelmeer zu senden oder zumindest weiteren Ankäufen von PIGS-Anleihen durch die EZB zuzustimmen. Die Defizite müssen so oder so finanziert werden und am einfachsten wird sich Nr. 3 erweisen.
Um auf die Überschrift zurückzukommen: Aus Sicht der Verteidiger des Fiat-Geldsystems sind die frech vorgetragenen Forderungen absolut legitim und dienen der vorübergehenden Stabilisierung des Systems unter Inkaufnahme der Vernichtung des Geldwertes. Der Markt hat das längst begriffen und reflektiert dies im Goldpreis.
Erschienen im Rohstoff-Spiegel Nr. 13/2010 vom 26.06.2010
6 Kommentare
das hat mir wirklich gut gefallen: "der Welt gehen nämlich die guten Schuldner aus".
Wo soll das ganze weltweite Kapital denn "angelegt" werden, wo einesteils der "Wert" erhalten bleiben soll, auf der anderen Seite zusätzlich noch eine Rendite gewonnen werden soll.
Das ist für mich ein Kernumstand, warum das Finanzsystem noch nicht den sichtbaren, finalen Kollaps erreicht hat. Diese ganzen Summen müssen ja irgendwohin, dieses Kapital ist ja ein Gegenstück zu den Schulden.
Die Anleger oder Manager, welche die Anlageentscheidung über nennenswerte Summen zu treffen haben, sind mangels einer gangbaren Alternative in der Zwickmühle. Sie haben nicht wirklich eine Alternative zur Anlage in z.B. Staatsanleihen. Aber ich bin mir sicher: Die Jungs haben keinen ruhigen Schlaf.
Sicher gibt es die hartnäckigen Zocker, die auch noch einen Tag vor dem Zusammenbruch versuchen werden, mithilfe von Computerprogrammen den schnellen Euro bzw. Dollar zu machen. Aber die Gelder, die aus einem realen Wertschöpfungsprozess stammen, - wie zum Beispiel das in die Lebensversicherung einbezahlte Geld eines Arbeiter oder die private Rentenversicherung eines amerikanischen Arztes - haben ja eigentlich einen anderen Charakter. Dennoch müssen auch letztere in diesen Dampfkessel aus Guthaben und Schulden, egal ob in Euro oder in Dollar.
Möglicherweise sind sowohl die Gläubiger als auch die Schuldner schon lange zur Einsicht gekommen, dass die ganze Geschichte nur noch als Luftnummer zu bewerten ist. Aber beide Parteien weigern sich, der Wirklichkeit ins Auge zu blicken. Vielleicht freuen sie sich einfach noch jeden Tag, an dem sie weiter ihre Gehälter beziehen dürfen, die sie dann schnell in tatsächliche Werte tauschen würden.
Tatsache ist, dass der größte Teil der "Gelder" nur eine Fiktion ist, ohne wirkliche Grundlage. Und das Spiel nun so lange weitergehen muss, bis entweder auf freiwilliger Basis oder erzwungenermaßen eine Neubewertung der Summen erfolgt. Und diese Neubewertung würde bedeuten, dass das Geld wieder in eine ehrlichen Relation zur Wirtschaftsleistung, zu den Ersparnissen und den realen Gütern bzw. Werten gelangt.
Schöne Grüße
ClausS
Hallo Herr S.,
wie Sie wissen, ist das, was als "Kapital" bezeichnet wird, fast ausschließlich die Schuld eines anderen. Also wird die uneinbringbar, ist auch das Kapital weg. Eigentlich eine Binsenweisheit, die viele nicht durchschauen. Noch nicht. Gruß JK
Alle leihen sich Geld untereinander, leider sinken bei Manchen die Einnahmen und es kommt raus, dass sie in der Vergangenheit darüber schon falsche angeben machten, nun müssen sie mehr Zins dafür zahlen.
Jetzt fehlt das Geld zum zurückzahlen beim Nachbarn A, dann leiht man sich dafür Geld beim Nachbarn B, damit man A bezahlen kann. Dann hat man wiedermal ne Weile Ruhe, bis man B zurückzahlen muss. Dann nimmt man Geld bei C auf und so weiter.
Ein Schneeballsystem, wie das gesamte System des Geld in sich. Es gehen die Gläubiger und die Schuldner aus.
Weiss überhaupt noch jemand, wer bei wem wieviel Schulden hat?
Ein Kartenhaus!
Ob weise oder unverschämt, mir ist vor allem unklar, was unsere Kritiker (Obama, Soros, Krugmann) eigentlich von uns wollen.
Nachdem Herr Soros und Konsorten vermutlich die Griechenland-Krise ausgelöst haben, können sie doch nicht ernsthaft von uns erwarten, daß wir uns auch so verschulden, daß wir in demselben Maße zum Spielball der Spekulanten werden wie Griechenland, mit ähnlichen sozialen Unruhen. Vor allen Dingen weil wir jetzt auch merken, wie die konzertierte Aktion gegen Portugal und Spanien weitergeht. Auch kann ihnen doch die Verschlechterung der Euro/Dollar-Relation, die unsere laxe Fiskalpolitik notwendigerweise im Gefolge hätte, nicht gefallen; denn das würde unseren Export beflügeln.
Also die ganze Debatte ist konfus!
Das Problem für das Papiergeld entsteht, wenn die Masse der Leibeigenen des Kapitals ihre Arbeitsleistung verringert, weil sie am Wert des Papiergelds zweifeln. Spätestens an dieser Stelle werden die Beamten hellwach werden. Über Symbole wie Geld als Papiergeld oder Metall können wir lange debattieren. Entscheidend ist immer, daß die zugrundeliegende Arbeit stattfindet, von dessen Wertschöpfung namentlich die Beamten als Verwalter und Organisatoren des Staatsgetriebes leben.
Es ist eigentlich ein Witz, daß die Beamten die Kurzarbeit als ein soziales Geschenk für die Arbeitenden darstellen, wobei sie doch auf die Arbeit ihrer Schäfchen dringend angewiesen sind, weil sie davon leben.
Wenn es allerdings gelingt, die Arbeitenden alle in die Verschuldung zu treiben, was vielleicht geplant ist, können diese gar nicht am Wert des Papiergeldes zweifeln und ihre Arbeitsleistung für nichts verringern, weil sie eigentlich Sklaven sind. Sie sind dann das perpetuum mobile des Kapitals, das sich nur noch für die Zinsen dreht.
Der Bevölkerungsrückgang beträgt in Deutschland z.Zt. pro Jahr in der Gesamtsumme 150.000 Menschen. In den anderen europäischen Ländern und Japan sind die Verhältnisse ähnlich.
Diese Entwicklung des Rückgangs der Population wird in den nächsten 15 Jahren dramatisch ansteigen. Da nun die Teilnehmer des Schneeballsystems ausgehen verbleibt als Schuldner nur der Staat. Da auch für ihn die Steuerzahler verschwinden, siehe auch die Alterspyramide, die die Schulden zurückzahlen sollen, werden die Staatschulden mit jedem Jahr noch uneinbringlicher.
Das Ende setzt in diesem Fall die Natur.
Den Göttern sei Dank.
Wenn man mehr Schulden macht kann man den Zeitpunkt noch etwas hinauszögern.
Durch Sparprogramme kann man danach sagen: " wir haben doch alles versucht".
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