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Der Eisberg rückt näher
von Jan Kneist 06.09.11 22:20:22
Die Ereignisse um das Euro-Elend erfahren wöchentlich weitere Beschleunigung und Zuspitzung. Trotz der weiter andauernden Schrottanleihen-Käufe der EZB ist keine Beruhigung eingetreten. Bis jetzt hat die EZB schon für über 115 Mrd. € diesen Müll im Bestand, Tendenz weiter schnell wachsend.
Alles waren natürlich nur geldmengenneutrale Notmaßnahmen. Das hatte sich aber schon 2008 nach Lehman als Lüge erwiesen. Aber eine andere, wirklich schnelle Entlastung der Schuldner gibt es gar nicht. In der Zwischenzeit wurde die Ausweitung des Rettungsschirms (EFSF) am Mittwoch von der Bundesregierung beschlossen. Demnach sollen bis zu 780 Mrd. € Haftungskapital da sein und davon können 440 Mrd. an Krediten vergeben werden. Die deutsche Haftungssumme steigt auf 211 Mrd. €. Schon bald werden sich diese gigantischen Beträge als viel zu niedrig erweisen. Während sich unsere Regierungsoberen als "gute" Europäer erwiesen, bleiben die Finnen renitent und bestehen weiter auf Sicherheiten für ihren Anteil der Griechenlandrettung. Den Vogel abgeschossen hat aber die Slowakei, deren Parlamentspräsident Richard Sulik mit Tönen für Aufmerksamkeit sorgte, die bei uns völlig undenkbar sind. Sulik sieht keinen Grund, Mißwirtschaften mit eigenem Geld zu unterstützen, um auch noch Privilegien in Griechenland zu erhalten, von denen Slowaken selber nur träumen können! Er werde alles tun, um die Aufstockung des EFSF im Parlament zu verhindern, denn er sei gewählt worden, "...damit ich die Interessen der Slowaken verteidige." Stellen Sie sich diese Formulierung in BRD-Deutschland vor.
Kommende Woche steht die Entscheidung des BVG zum ersten Rettungsschirm an. Vosskuhle ließ zuvor schon verlauten, daß über "die richtige ökonomische Strategie zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise.." in Karlsruhe nicht verhandelt werde. Dies sei Aufgabe der Politik. Diese selbstverständliche Aussage treibt den Politikern der Blockparteien den Schweiß auf die Stirn. Daß das Rettungspaket (besser "Verschleppungspaket") durch Rechtsbruch zustande kam, steht außer Zweifel. Viele dieser Scheindemokraten werden sich insgeheim die Diktatur herbeiwünschen. Wenn man die törichten Völker schon nicht überzeugen kann, dann muß man sie doch zwingen können. Schließlich ist doch angeblich ein Projekt in Gefahr, das über Krieg oder Frieden entscheidet. Glauben Sie, daß uns Griechenland angreifen wird, wenn wir kein Geld mehr überweisen? Oder Italien? Das ist völlig lächerlich.
Um auf den Eisberg in der Überschrift zurückzukommen - das Handelsblatt vom Freitag titelt "Das Titanic-Szenario" und man muss zugestehen, daß die Redakteure ein wirklich realistisches Bild zeichnen und das ist selten für die Systempresse! Das Szenario läßt in Griechenland Anfang 2012 die Regierung stürzen. Die Wirtschaft bricht weiter ein, die Sparmaßnahmen greifen nicht, das Volk rebelliert und Papandreou verliert die Vertrauensfrage. In der Realität haben gerade EU-Kontrolleure Griechenland verlassen, weil man sich nicht auf weitere Sparmaßnahmen verständigen konnte. Weiter im Szenario. Im April 2012 führt Griechenland die neue Drachme ein, Bankenfeiertage finden statt, Devisenkontrollen werden eingeführt. Daraufhin werden Bonds von Portugal, Spanien und Italien abverkauft. In Berlin sieht Madame "YES" keinen Grund zur Sorge, denn die Eurozone sei im Kern gesund. Daran schließt sich ein Banken-Run in ganz Südeuropa an, der EFSF wird auf 1,5 Billionen € verdoppelt, Eurobonds werden noch nicht eingeführt, obwohl die Franzosen drängen. Im Juni 2012 tritt Portugal aus dem Euro aus. Massenstreiks und Wirtschaftseinbruch ließen keine Wahl. Massenproteste in Spanien und Frankreich.
In der Realität hat übrigens gerade der portugiesische Regierungschef Pedro Passos Coelho bestätigt, daß Eurobonds keine Lösung der Schuldenkrise sind. Er schlägt stattdessen tiefgreifende Reformen vor, darunter ein europäisches Finanzministerium. Gratulation, Orwell läßt grüßen!! Weiter im Szenario. Im Juli 2012 beschließen die Euroländer Eurobonds und ein weiteres Hilfspaket für Südeuropa. Deutschland und Frankreich legen einen Marschallplan über 100 Mrd. € auf, einige FDP- und CDU-Abgeordnete treten aus ihren Bundestagsfraktionen aus. Wenige Tage später werden Eurobonds und Marshallplan im Bundestag abgelehnt. In der aktuellen Realität sieht das natürlich anders aus. Die Linke, schon immer bestrebt, Deutschland zu schwächen, kann es gar nicht erwarten, Eurobonds einzuführen. Für SPD und Linke besser gestern als morgen. Die Frage ist nur, ob sie dabei die Mehrheit ihrer Wähler hinter sich haben. Uns ist der Fall Sarrazin gut in Erinnerung.
Im Szenario zerbricht die Schwarz-Gelbe-Koalition und Merkel macht alleine als Minderheitsregierung mit SPD-Duldung weiter. Das ist gar nicht so abwegig, wobei eine Neuauflage der Großen Koalition unter SPD-Führung (Steinbrück, starker Befürworter der Transferunion) wahrscheinlicher ist. Im Szenario wertet der Nord-Euro auf und bringt die Wirtschaften der Teilnehmer unter Druck. Ob das in der Realität so passiert, kann durchaus bezweifelt werden. Man blicke nur auf unseren armseligen und schwer leidenden Nachbar Schweiz. Das unvermeidbare wird so oder so passieren - das Ende des Euros. Der Spruch des BVG kann nächste Woche als Katalysator wirken oder er kann das Unvermeidliche noch einige Monate aufschieben. Es spielt keine Rolle. Sie können noch in aller Ruhe weiter Gold und Silber erwerben und das historische Schauspiel verfolgen.
Erschienen im Rohstoff-Spiegel Nr. 18/2011 vom 03.09.2011
1 Kommentar
11:00 Kleiner Schloßplatz in Stuttgart: Demo
gegen diesen EU-Wahnsinn.
Los, Arsch hoch JETZT ! Was wollt ihr euern Kindern und Enkelkinder sagen, wenn sie euch fragen: "Ihr habt es gewust, was habt ihr getan ?"
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