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Aufgeschoben heißt nicht aufgehoben!
von Markus Bechtel 10.02.14 18:28:58
In den letzten Tagen ist der Verweisungs-Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) kontrovers diskutiert worden. Während Prof. Bernd Lucke, der Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) den Beschluß des BVerfG in der Sache begrüßte, stieß dieser Beschluß bei Parteikollegen und Euro-Kritikern auf harsche Ablehnung.
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Bei dem Beschluß des BVerfG muß man sich jedoch erst einmal vor Augen führen, worum es dabei in der Sache geht:
Bei dem Beschluß des Rates der Europäischen Zentralbank vom 6. September 2012 betreffend Outright Monetary Transactions (OMT) und die fortgesetzten Ankäufe von Staatsanleihen auf der Basis dieses Beschlusses und des vorangegangenen Programms für die Wertpapiermärkte (Securities Markets Programme - SMP) sowie gegen die Mitwirkung der Deutschen Bundesbank an OMT und SMP (siehe Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu I.), handelt es sich nun einmal um eine europarechtliche Fragestellung, für die nicht das BVerfG, sondern nach Artikel 267 Absatz 1 Buchstaben a und b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zuständig ist.
Deshalb MUßTE das BVerfG
1. Die Verfahren (insoweit) abtrennen und
2. die Verfahren fortan unter den Aktenzeichen 2 BvR 2728/13 (Beschwerdeführer zu I.), … fortführen.
Siehe dazu: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20131217_2bvr139012.html
Deshalb MUßTE das BVerfG
1. die abgetrennten Verfahren AUSSETZEN und
2. diese Fragen gemäß Artikel 19 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrages über die Europäische Union und Artikel 267 Absatz 1 Buchstaben a und b des AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung VORLEGEN.
Siehe dazu: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20140114_2bvr272813.html
Hierzu ist das BVerfG auch verpflichtet, weil der EuGH hinsichtlich dieser europarechtlichen Fragestellung nun einmal das insofern nach Art. 101 GG zuständige Gericht ist.
Dies bedeutet, daß die Frage der Outright Monetary Transactions (OMT) bzw. der Securities Markets Programme (SMP) der EZB bzw. Bundesbank noch nicht endgültig entschieden ist.
Ob die Antragsteller durch die OMT- bzw. SMP-Programme der EZB bzw. der Bundesbank in Ihren Grundrechten verletzt sind, kann das BVerfG daher denklogisch erst nach der Entscheidung des EuGH feststellen.
Mit Blick auf die Begründung des Vorlagebeschlusses liegt der AfD-Chef Prof. Bernd Lucke daher richtig, wenn er sagt: ‚Endlich ist höchstrichterlich festgestellt, daß das Anleihekauf-Programm der EZB ein klarer Bruch des Europarechts ist.‘ Ohne eine solche substantiierte Begründung hätte es einen solchen Vorlagebeschluß nicht geben können.
Siehe dazu die Pressemeldung des BVerfG: http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-009
Das BVerfG hat das Urteil in der Sache auch nicht verweigert. Das BVerfG hat den „Schwarzen Peter“ lediglich an den EuGH abgegeben. Es ist daher kein politischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Grund ersichtlich, weshalb sich Karlsruhe (und damit Deutschland) zum gegenwärtigen Zeitpunkt zum Totengräber des Euro machen sollte.
Lucke hat offenbar die Botschaft des kürzlich verstorbenen Prof. Wilhelm Hankel verstanden: Wir müssen den Euro rückabwickeln, nicht fallenlassen. Wir sollten den Euro einstweilen als Parallelwährung zur Neuen Deutschen Mark fortführen. Nur so kommen wir aus der Euro-Nummer mit den geringsten politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Blessuren wieder heraus. Alles andere wäre politisches, rechtliches und wirtschaftliches Harakiri. Alle Beteiligte sollten sich daher das Credo Prof. Wilhelm Hankels endlich zu Herzen nehmen!
Ob es hinsichtlich der abgetrennten Fragen zu einer Entscheidung des BVerfG kommen wird, wird allerdings davon obhängen, was das BVerfG zu der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) bzw. dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sagen wird. Davon wird es abhängen, ob es den Euro, die Outright Monetary Transactions (OMT) bzw. die Securities Markets Programme (SMP) und damit die EZB selbst bis dahin überhaupt noch geben wird.
Vermutlich wird jedoch die EZB den Euro bis dahin genauso zu Tode gerettet haben wie die sog. Federal Reserve den US-Dollar. Vermutlich wird das Verfahren vor dem EuGH bzw. BVerfG bis dahin von den Kapitalmärkten längst entschieden worden sein. Das ist dann aber nicht mehr „unsere“ Schuld.
Die eigentliche Gefahr für uns Bürger geht jedoch unmittelbar von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) bzw. dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) aus. Offensichtlich soll daraus eine europäische Zentralbank nach amerikanischem Vorbild entstehen. Diese europäische Federal Reserve soll offenbar einen unmittelbaren Zugriff auf die Staaten und damit auf uns Bürger bekommen. Demgegenüber nehmen sich die OMT- und SMP-Programme der EZB bzw. der Bundesbank geradezu wie "Peanuts" aus.
Die eigentliche Schlacht von Karlsruhe wird daher erst am Dienstag, den 18. März 2014 um 10.00 Uhr geschlagen.
Siehe dazu die Pressemeldung des BVerfG: http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-009
© Markus Bechtel 2014. Alle Rechte vorbehalten.
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4 Kommentare
“Je mehr Verbote und Beschränkungen das Reich hat, desto mehr verarmt das Volk.” wusste es Laotse und formulierte bereits vor über 2500 Jahren irritierend absurd: „Er braucht nichts zu machen und vollendet doch“.
http://www.geolitico.de/2014/02/11/vosskuhle-mangelt-es-an-charakter/
Daraus (nur Auszüge, die Begründung dieser Thesen ist bei Beck ausführlicher):
"Mit der Entscheidung, den EuGH anzurufen, entzieht sich das höchste deutsche Gericht geschickt der Verantwortung. Einerseits ist die Rechtslage so klar, dass selbst die Verfassungsrichter erklären, die EZB setze sich eigenmächtig über geltendes Recht hinweg. Anderseits fehlt Ihnen der Wille, entsprechend zu urteilen. Doch mit der Ankündigung, den Fall faktisch vom EuGH entscheiden zu lassen, bricht das Verfassungsgericht mit seiner eigenen vierzigjährigen Rechtsprechung, in der sich das Gericht stets das letzte Wort über die Auslegung der EU-Verträge vorbehalten hatte."
Und: "Überhaupt analysiert das Gericht viele Argumente gegen die EZB-Handlungen mit beindruckender Gründlichkeit und sehr überzeugend. Die Richter scheuten offenbar nicht die Mühe, sich in die komplexen Sachverhalte überaus sorgsam einzuarbeiten. Jedoch zieht das Gericht einen falschen Schluss und die falsche Handlungsmaxime: die Trennung des OMT vom Hauptverfahren zum ESM und die Vorlage von Draghis Plänen an den EuGH."
Und Fazit: "Das OMT-Programm, so die Verfassungsrichter, ist aber genau solch eine verfassungswidrige Mandatsverletzung und Kompetenzübertretung. Daher hätte das Verfassungsgericht aufgrund seiner eigenen Analyse ein Verbot der Mitwirkung Deutschlands am EZB-Programm aussprechen müssen. Es fehlt den Verfassungsrichtern also nicht an Kompetenz, sondern an Charakter, nicht an Argumentationsschärfe, sondern an Integrität. Gerichtspräsident Voßkuhle und seine Kollegen haben Angst die evidente Verfassungswidrigkeit auszusprechen und damit für eventuelle Turbulenzen an den Finanzmärkten und politische Spannungen verantwortlich gemacht zu werden. So schiebt man die Verantwortung dem EuGH zu, der ihm vorgelegte Rechtsfragen regelmäßig im Sinne der Stärkung der EU-Institutionen und einer weiten Auslegung der ihnen übertragenen Befugnisse auslegt."
Antwort MB:
Die Frage der deutschen Beteiligung an Rettungsschirmen ist bislang eine Frage des deutschen Verfassungsrechts. Dagegen ist die Frage, ob und in wie weit die EZB als Organ der Europäischen Gemeinschaft mit dem OMT-Programm ihre Kompetenzen überschreitet, eine Frage des Europarechts. Und erst dann - möglicherweise - eine Frage des deutschen Verfassungsrechts.
Nach den europäischen Verträgen ist es daher dem BVerfG insofern verwehrt, hinsichtlich des OMT-Programmes der EZB einfach "durchzuentscheiden". Vielleicht sollte daher auch der sonst "immer gut schreibende Rechtsprofessor Gunnar Beck" einmal in die europäischen Verträge hineinschauen.
Zu einer Frage des deutschen Verfassungsrechtes wird die Rechtsprechung des EuGH möglicherweise dann, wenn das BVerfG darin einen sog. "ausbrechenden Rechtsakt" des EuGH sieht. Ein solcher "ausbrechender Rechtsakt" könnte dann einen Austritt Deutschlands aus dem Euro erzwingen.
Hier gilt doch wohl der alte Spruch Alfred Nobels über Juristen:
"Die beste Entschuldigung für Prostituierte ist, dass Frau Justitia eine der Ihren ist."
Antwort MB:
Nicht die Juristen, sondern die Politiker schreiben die Gesetze. Oder lassen sie sich von Lobbyisten schreiben. Würden Juristen Gesetze schreiben, dann sähen diese in der Regel anders aus.
Kann sein, muss aber nicht. Gerade weil es OMT & ESM & Co gibt, kann der EUR durchaus noch bis 2016/17 gerettet werden.
Und dann stellen wir uns mal die nette Situation vor, dass der EuGH (natürlich, 100%ig sicher) vielleicht 2015 ein OMT-positives Verdikt nach Karlsruhe zurückschickt; Voßkuhle dann weitere 2 Jahre drüber brütet - und dann -2017- sagt "Nein, den EuGH überstimmen wir jetzt - das OMT war immer seit 2013 in D verfassungswidrig!"
Lachhaft! Wird NIE passieren. Die BILD würde titeln "Kriegserklärung von Karlsruhe!". Und die PIGS-Zeitungen würden den Krieg gegen D-EU-tschland tatsächlich erklären.
Nein - das ist alles abstrus. Der OMT ist juristisch durch. Das Verfassungsgericht hat sich erfolgreich und ohne Not gedrückt vor einer Entscheidung, die zwingend in Karlsruhe und nicht in Luxemburg fallen musste (Das BVerfG hatte sich seit über 20 Jahren immer das alleinige Prüfungsrecht auch in EUropafragen vorbehalten)! Natürlich war hier mit Art 136 AEUV Europarecht tangiert. Aber eben auch ganz klar nationales Recht. Und genau darüber muss Karlsruhe entscheiden (was ja nun rein formal 2015/17 dann auch noch passieren wird) - aber eben OHNE einen "Rat" aus Luxemburg einzuholen, der der alten Mafia-Drohung entsprechen wird: "An offer we cannot refuse". Lucke redet sich das (gar nicht gefallene) Urteil von Freitag aus rein politischen Gründen schön; und Schachtschneider aus psychologischen, weil das sonst seine etwa 7. Niederlage in KA seit 1998 wäre. Rechtlich ist das Thema nach der Karlsruher Urteilsverweigerung heute schon durch - der Rest ist Show für die Öffentlichkeit.
Antwort MB:
Würde Voßkuhle auch noch einen "positives" Votum des EuGH zum OMT-Programm abnicken, dann könnten sie den Euro vielleicht noch bis 2016 oder gar bis 2017 retten. Damit würden sie den Euro aber zu Tode retten. Die Märkte können eine solche Insolvenzverschleppung nicht dauerhaft akzeptieren. Irgendwann werden die Märkte sagen: Nicht mit uns!