Wolfgang Arnold

Jeder von uns ist pleite, ganz gleich, ob er Millionär ist oder Straßenmusikant, Bettler an der Haustür oder Student im 1. Semester, das Baby im Körbchen oder Greis im Pflegeheim.
Noch schlimmer, wir sind nicht nur finanziell bankrott, sondern auch moralisch.

Das zeigt sich am deutlichsten, wie wir uns den Kindern gegenüber verhalten. Die Politik beschäftigt sich mit Gesetzen gegen Pädophile. Pädophilie ist grässlich, aber weitaus abscheulicher ist die Falschheit, mit der wir unsere Jüngsten betrügen.

Wir können am Grab unserer Eltern schwören, daß wir unsere Kinder über alles in der Welt lieben und rauben ihnen im gleichen Atemzug die Zukunft. Wir haben ihnen bereits 40 Prozent des Artenreichtums der Tier- und Pflanzenwelt gestohlen. Wir machen ganze Landstriche für sie unbewohnbar, wir laden Finanzschulden auf ihre Schultern, die sie niemals zu ihren Lebzeiten abzahlen können.

Wir tun dies, weil wir große Autos fahren, täglich mehr Kalorien und Luxuslebensmittel zu uns nehmen, als unserem Körper bekömmlich ist, die Welt mit Chemie vergiften und Kriege führen, die völlig widersinnig sind.

Wir laden der nächsten Generation Schulden auf, weil wir in jeder Stunde mehr Werte verbrauchen als wir durch unserer Hände Arbeit schaffen, wir wollen Dinge besitzen, die wir gar nicht brauchen, wir vermieten unsere Arbeitskraft an Kreditinstitute für Dinge, die wir uns gar nicht leisten dürften, wir vergnügen uns, anstatt härter zu arbeiten, aber schämen uns nicht vor den Kindern.

Wir lassen sogar unsere Beerdigungskosten von den Kindern bezahlen. Das glauben Sie nicht und behaupten, bei Ihnen sei es anders, denn Sie hätten so viel gespart, daß Sie alles aus der Portokasse begleichen könnten. Sie täuschen sich, auch Sie sind bis über beide Ohren verschuldet. Allein im ach so reichen Deutschland betragen die Staatsschulden inklusive aller im Rahmen der Euro-Misere eingegangenen Verpflichtungen, inklusive der Verpflichtungen für Renten- und anderer Versorgungsleistungen, inklusive der Verpflichtungen für den öffentlichen Dienst rund 8 Billionen Euro - pro Kopf folglich 100.000 Euro, das heißt für jeden Bürger vom Säugling bis zum Greis. Ziehen Sie der Einfachheit halber angesichts dieses Betrages von den 80 Millionen Deutschen die Hälfte als zahlungsunfähig ab, dann erhöht sich der Schuldenbetrag für den solventen Teil der Gesellschaft auf 200.000 Euro. Kein Pappensteil, aber für viele Wohlhabende immer noch kein beängstigender Betrag.

Wir Deutsche leben allerdings nicht auf einer Insel. Um Sie herum stehen strauchelnde Banken, überschuldete Firmen und das Wichtigste, eine verschuldete Welt, die das 25-fache ihres Bruttoinlandproduktes an Schulden aufgehäuft hat. Nehmen wir auch in diesem Fall der Einfachheit halber an, daß 50 Prozent der Weltbevölkerung keinen Su dazu beitragen können. Ein beträchtlicher Anteil dieses Schuldenberges wird Ihnen also beim unausweichlichen Crash auf die Füße fallen, und alles was bei Ihnen nicht durch Vermögen gedeckt ist, bleibt für Sie als Schuld bestehen. Doch von welchem Vermögen sprechen wir?

Das Guthaben auf der Bank ist ein Zahlenwert, der nur zu einem geringen Teil auf dem Konto gedeckt ist. Der hohe Kurs Ihrer Aktien schrumpft im Crash auf einen Minimalbetrag. Ihre Villa ist nur noch einen Bruchteil wert, wenn niemand da ist, der sie kaufen würde. Wollten Sie wissen, welchen Wert Ihr Euro in Gold gerechnet wirklich hat, müssen Sie die in der Welt zirkulierende Papiergeldmenge zu der vorhandenen Goldmenge ins Verhältnis setzen. Dann kommen Sie nach heutigem Stand auf einen Preis von ca. 8.500 Euro für die Unze Gold. Da allein die US-Notenbank pro Minute zusätzliche Dollarnoten im fiktiven Wert von 1,3 Millionen Dollar drucken läßt und ein großer Teil der Euronoten durch solche fiktiven Dollarnoten gedeckt werden, verschlechtert sich das Verhältnis Banknote zu Gold ständig.
Ihr Guthaben wird weniger, die Schulden höher.

Das bringt uns zurück zu den Kindern.
Hinsichtlich unserer Hinterlassenschaft werden sie uns eines Tages als die grausamsten Eltern der Menschheitsgeschichte einstufen. Nicht nur grausam wegen der Schulden und der zerstörten Natur, die wir ihnen hinterlassen. Noch grausamer ist die Tatsache, daß wir ihnen nicht einmal einen Rat hinterlassen können, wie sie es besser machen könnten. Wir sind am Ende, finanziell und moralisch bankrott. Die einzige Hoffnung ist, daß der Crash möglichst schnell kommt, und daß uns eine Chance zu einem bescheidenen Neubeginn vergönnt sein wird.
Werden wir uns dann für die Kinder kräftig ins Zeug legen?
Wie aber sollte dies möglich sein unter den Bedingungen, die uns womöglich eine Neue Weltordnung diktiert?