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Freigeld ist keine Alternative zu Gold
von Wolfgang Prabel 14.12.13 09:56:20
Der Moses, welcher die Gesetzestafeln des Freigelds unter die Leute brachte ist Silvio Gesell (1862-1930). Für ihn war Geld ein staatlich ausgegebenes Tauschmittel, welches durch Sparen bei den Banken landete und dort Zinsen generierte. “Dem Gold verdanken wir die Arbeitsteilung und damit auch die Kulturgüter, denen wir uns erfreuen. Dem Gold aber verdanken wir auch wieder, dass von den geschaffenen Gütern der bei weitem größte Teil, und zwar das Beste, dem Schmarotzertum verfällt. Ist doch das Gold der Vater des Kapitalismus…
Früh oder spät verfällt aber alles Geld, das der Staat als Tauschmittel in Umlauf setzt, der Kasse irgendeines Sparers, sodass wiederum alles umlaufende Geld aus den Sparkassen kommt, also mit Zins belastet den Markt betritt, um seine Tätigkeit als Tauschmittel zu erfüllen. Diese Doppeltätigkeit des Geldes als Tauschmittel und als Sparmittel ist gegensätzlicher Natur und als Missbrauch des Tauschmittels zu betrachten. Dadurch, dass dem Güteraustausch nur verzinsliches Geld zur Verfügung steht, wird der Zins Vorbedingung der Warenerzeugung überhaupt.…So kam mit dem Gold und der Arbeitsteilung zugleich der große Friedensstörer, der Zins, auf die Welt.“
Alle Argumente von Gesell sind falsch: Gold ist mehrere Tausend Jahre älter ist als der Kapitalismus. Gold und Kapitalismus haben nichts miteinander zu tun. Allenfalls war Gold das Geld einer naturwüchsigen Wirtschaftsordnung, die von Anfang an marktwirtschaftliche Elemente beinhaltete. Zinsen sind kein Verlust für die Volkswirtschaft, weil ein Part Zinsen zahlt und der andere sie vereinnahmt. Gold ist Friedensgeld: Das Papiergeld wurde in Deutschland 1909 eingeführt, um einen langen und teuren Krieg durchzufinanzieren. Der Zins wird nur fragwürdig, wenn ein Kredit nicht in angemessener Zeit abgetragen wird, oder wenn er wie in modernen Sozialstaaten üblich, aufgenommen wird, um ihn nie zurückzuzahlen und wenn daraus ein Ponzi-Schuldengebirge von tibetanischen Ausmaßen wird. Und Zinsen sind schädlich, wenn die zu verzinsende Papiergeldmenge weit größer ist, als die wirtschaftliche Leistung. Wir fühlen gerade die Auswirkungen davon. Die Staaten helfen sich durch Senkung der Zinsen.
Gesells Reformvorschlag bestand darin, ein sehr komplexes Papiergeldsystem mal geschwind zu verbessern, indem man den Papierschnipseln die Wertaufbewahrungsfunktion nimmt. Das ist sehr eindimensional. Diese flache Idee paßte aber gut in die kapitalismuskritische und antisemitische reformistische Propaganda des Spätkaiserreichs und der Weimarer Republik.
Silvio Gesell hatte seit 1890 eine Wirtschaftstheorie erdacht, bei der das Geld monatlich um 1 % entwertet wird. Damit würde ein schneller Umlauf erzwungen und Sparen unattraktiv gemacht. Krisen würden damit unwahrscheinlicher, es würde ständig Hochkonjunktur herrschen. Die beiden wichtigsten Unterstützer wurden der Berliner Tischler Georg Blumenthal und der Ernährungsreformer Gustav Simons, der die Gartenstadt Eden bei Oranienburg mitgegründet hatte. 1909 hatte Blumenthal die „Physiokratische Vereinigung“ gegründet, die sich als politisch-philosophische Erbin von Max Stirner verstand. Stirner war einer der Väter des Anarchismus und Blumenthal verfügte deshalb über gute Kontakte zum Anarchisten Gustav Landauer. Der Schöpfer des Vollkorn-Siemons-Brotes, Gustav Simons war die Scharnierperson zur Lebensreformbewegung und gehörte dem rassistischen „Orden des Neuen Tempels“ des Lanz von Liebenfels an. Auf der Burg des Ordens wehte schon seit 1907 die Hakenkreuzfahne. Es war ein Orden für blonde und blauäugige Männer, die sich zur Reinzucht verpflichten mußten. Gesell störte sich nicht an den Neigungen Simons. „Die Natürliche Wirtschaftsordnung kann nicht verdorben werden.“ So seine Meinung dazu. 1911 zog Gesell selbst in die Gartenstadt Eden. Biologische Anbauweisen, Vegetarismus, FKK sollten in Gütergemeinschaft verwirklicht werden. Warum diese Symbiose von Freigeldlern mit Landkommunarden? Die Freigeldler fürchteten, daß Sparer bei Einführung von Schwundgeld in andere Assetklassen ausweichen würden, insbesondere in Land. Um das zu verhindern, war die Landreform so wichtig. Man wollte alle größeren Fluchtmöglichkeiten für Erspartes versperren. Natürliche Wirtschaftsordnung nannte man dieses Zwangssystem…
In Eden trafen sich die Anhänger des neuheidnischen Sonnenkults, Völkische und Antisemiten in großer Zahl. Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde der Bund für Freiwirtschaft gegründet. Im Krieg schliefen die Aktivitäten etwas ein, weil viele Kommunarden sich freiwillig am Gemetzel beteiligten. Gesell aber verschwand 1916 in die neutrale Schweiz. Am Ende des Kriegs tauchte er in Berlin wieder auf, um mit dem Artikel „Überwindung des Goldwahns und die Zertrümmerung der britischen Weltmacht“ in dem von Richard Ungewitter herausgegebenen Buch „Deutschlands Wiedergeburt durch Blut und Eisen“ vertreten zu sein. Ungewitter warb in dem Sammelband für den völkischen Neuanfang Deutschlands nach dem Kriege, er war ein Verfechter der Freikörperkultur, da diese der Rassenverbesserung und „Aufartung“ dienen würde. Gesell wollte durch die Einführung des Freigelds die englische Goldwährung entwerten:
„Wer ist der Feind? England. Worauf gründet sich Englands Macht? Auf die Goldwährung. Drauf!“
Gesell publizierte in einem Sammelband, in dem neben Ungewitter und ihm selbst Autoren wie Lanz von Liebenfels, der Antisemit Dr. Ernst Hunkel, der Gründer der „Germanischen Glaubensgemeinschaft“ Ludwig Fahrenkrog und der Antisemit Theodor Fritsch vertreten waren. Er gab sich auch in eigenen Publikationen selbst als Rassist zu erkennen. Einige Kostproben aus der dritten Auflage seines Hauptwerks „Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld“, die ebenfalls 1918 erschienen war, zeigen das:
„Wie bei allen Lebewesen, so hängt das Gedeihen des Menschen in erster Linie davon ab, dass die Auslese nach den Naturgesetzen sich vollzieht.“
Nur auf dem Wege des Wettbewerbs könne es zu einer förderlichen Entwicklung, zur Hochzucht kommen. Der Erfolg des Wettstreits müsse ausschließlich von angeborenen Eigenschaften bedingt sein, dann dürfe man hoffen, dass mit der Zeit die Menschheit von all dem Minderwertigen erlöst werden wird, mit dem die seit Jahrtausenden von Geld und Vorrecht geleitete „Fehlzucht“ sie geleitet hätte. Auch ein bisschen Blasphemie und ein bisschen Antisemitismus fehlten natürlich nicht: Die Menschen haben
„keine Vorteile davon, wenn die besten immer gekreuzigt werden. Die Hochzucht verlangt eher das umgekehrte Verfahren.“
„Rassenpolitik darf nicht an Staaten, an Landesgrenzen, an Staatsgesetze gebunden werden. Rassepolitik ist ureigenste Angelegenheit jedes einzelnen Menschen. Das einzige Volk, das seit Jahrtausenden beharrlich Rassenpolitik treibt, die Juden, hat überhaupt kein eigenes Land, und kennt die Staatsmacht nicht.“
Die rassepolitischen Überlegungen hinderten nicht, dass Silvio Gesell in der Münchner Räterepublik auf Betreiben Gustav Landauer´s, der seine Schriften und seinen Umgang kannte, und mit Zustimmung des Sozialdemokraten Ernst Niekisch „Volksbeauftragter für das Finanzwesen“ wurde, bis das Moskauer Kommissarstrio Max Lewien, Eugen Leviné und Paul Borissowitsch Axelrod ihn absetzte. In seiner kurzen Amtszeit telegrafierte er der Berliner Reichsbankführung, dass München den Weg der systemlosen Papiergeldwirtschaft verlasse und „zur absoluten Währung übergehe.“ Gesell täuschte sich: Die Reichsbank sollte das Geld in der Inflation noch viel schneller entwerten, als er mit seinen lumpigen 12 % jährlich. Die Lohnempfänger mussten wegen der rasanten Entwertung das Geld 1923 am Zahltag ausgeben; genauso ging es den Geschäftsleuten, die die empfangenen Erlöse sofort in Wäschekörben von der Bank abholten, um sie unverzüglich für Löhne und Rohstoffe wegzuzahlen. Am Schluß der Inflation war es trotz des geringeren Energiegehalts von Papier gegenüber Kohle wirtschaftlicher mit dem Papiergeld zu heizen, als dafür Kohle zu kaufen. Trotzdem kam kein krisenfreier nachhaltiger Aufschwung der deutschen Wirtschaft zustande, wie von Gesell prophezeit.
Anfang der zwanziger Jahre formierte sich das buntes geldkritisches Netzwerk von Verbänden und Vereinen ständig neu. Aus dem „Deutschen Freiland-Freigeld-Bund“ und der „Physiokratischen Vereinigung“ wurde der „Freiwirtschaftsbund“ zusammengeschlossen. Im Rheinland wurde ein „Kampfbund der Freiwirte“ gebildet, in Württemberg eine „Proletarische Arbeitsgemeinschaft für Freiwirtschaftslehre“, eine Jugendorganisation „Ring Revolutionärer Jugend“ entstand. In Basel fand 1923 der „1. Internationale Freigeld-Kongreß“ statt. Dort musste sich Gesell mit Angriffen auseinandersetzen, die von seiner Lehre beinhaltete Freizügigkeit für alle Rassen auf der ganzen Welt würde der Zuchtmoral zuwiderlaufen. Er konterte, dass das Nebeneinander der Rassen und die dadurch möglichen Vergleiche zwischen diesen das „sicherste Ventil“ gegen eine „instinktwidrige, vielleicht schädliche Kreuzung“ seinen. Gesell rechnete nicht mit großen, dunkelhaarigen und glutäugigen Schönheiten, welche nach blonden Jungs Ausschau halten und diese aus der Bahne werfen; auch wusste er nichts von der Vorliebe dunkler Südmänner für blonde Frauen und umgekehrt; der Glauben an sichere rasseninstinktive Ventile war blauäugig.
1923 gründete Otto Weißleder den völkischen und antisemitischen „Deutschen Bund für krisenlose Volkswirtschaft“. 1924 hatten die Freiwirte etwa 15.000 Mitglieder.
Auf der Leuchtenburg wurde 1925 der Workshop Freiland – Freigeld – Freikultur veranstaltet, bei dem nichts sinistres fehlte, was die Jugendbewegung ausgebrütet hatte. Muck Lamberty hatte es so ausgedrückt: „Besinnt Euch! Unser Volk muß untergehen, wenn die Jungen und Junggebliebenen nicht aufstehen und an sich arbeiten. Wir wollen in den Tagen, die wir bei Euch sind, mit Euch leben und kämpfen gegen Vergnügungen aller Art, die die Jugend ausbeuten an Leib und Seele aus Geldinteressen, und rufen Euch auf, die Tage mit uns zu verbringen in rechter Fröhlichkeit.“ Vor und nach dem Weltkrieg hatte er sich mit Experimenten beschäftigt, das verhaßte Geld aus dem Verkehr zu ziehen. Eine Lösung könnten Tauschläden sein, die er in nietzscheanischer Manier „Umwertungsläden“ nannte, mit einer Produktpalette, die den sozialromantischen Reiz von Dritte-Welt-Läden ausmacht:
„Freunde der guten Sache, klare und rare Köpfe, werden in der Stadt eine Umwertungsstelle schaffen, einen Laden mieten und wenn möglich später einmal ein ganzes Häuslein kaufen oder bauen, wo die fertigen Arbeiten unserer jungen und junggebliebenen Handwerker sich zusammenfinden. Ausstellung und Verkauf durch die Handwerkergemeinschaft. Dort gibt es feine Töpfe, schöngebundene Bücher, Lauten, guten Schmuck, rechten Hausrat, herrliche Drucke und Steinzeichnungen, fertige Kittel und Gewänder, handgewebte Stoffe, ja sogar Lichterkränze für die guten deutschen Stuben statt Blechleuchter der närrischen Welt vor dem Kriege. In der Umwertungsstelle werden wiederum Menschen unserer Art gebraucht: Kaufleute, praktische Menschen, Mädchen, Schreiberlein, Arbeiter, Gehilfen. So wird allen im Sinne der Gesundung und der Erstarkung eine Lebensmöglichkeit geboten, so daß sie auch in der Arbeit so denken und sich geben können, wie sie es sicherlich jetzt möchten."
Ich möchte es bei diesen Streiflichtern fürs erste belassen. Das Fazit ist, daß sich für Gesell´s Lehren vor allem Reformisten interessierten, die es regelmäßig mit dem Kapitalismus und mit Juden hatten. Das war zwischen 1890 und 1940 so mainstream wie heute die Klimalüge, Quecksilberlampen und Transgender. Deshalb steht Gesell in der globalisierungs- und kapitalismuskritischen Community heute wieder hoch im Kurs. Einige Globalisierungskritiker versuchen aus Silvio Gesell einen fortschrittlichen Visionär zu machen. Lassen wir die schwere Nazikeule mal im Schrank. Zumal er wirklich ein Kind seiner Zeit war. Aber die Zeit von 1890 bis 1930 war wirklich sehr sehr finster…
8 Kommentare
Der naturgesetzesmäßige Austausch muss immer erfüllt sein! Daher darf es kein leistungsloses Einkommen geben. Jeder der anderes propagandiert, sollte sich mit der steuerenden Welt "im Hintergrund" beschäftigen, dann wird auch die Unlogik darin erkannt.
Leider neigt man gerne dazu, wie auch in diesem Artikel, mehr über die Person und über das Umfeld zu schreiben, wie sich explizit mit der Kernbotschaft zu beschäftigen.
Gold ist Gold, ob es ein Bettler bringt oder ein König. Doch leider beschäftigt man sich lieber damit, wer es bringt... Damit lenkt man gerne vom Kern der Botschaft ab...
den Besitz von Geld ,Grund und Boden fordern. Seine Theorien von Freigeld, einem "dritten Weg" zwischen Kapitalismus und Kommunismus wurden in der letzten großen Wirtschaftskrise in einigen Regionen Österreichs und Dänemarks sehr erfolgreich angewandt.
http://www.youtube.com/watch?v=iewqwwvN1f0 Erfreulich daran ist ,das sein System nicht auf dem derzeitig vorherrschenden Zinseszins behafteten Schul-Geld-System aufbaut, sondern genau gegensätzlich zu diesem sehr gut funktioniert. Dabei würde die breite Masse der Bevölkerung deutlich sozial ,gesellschaftlich und finanziell Zugewinnen ,den "Kapitalsammelbecken" jedoch würde es deutlich erschwert noch mehr Kapital an sich zu binden.
Uns mal ganz ehrlicch, man kann es ja auch noch anpassen, das Geld sollt nicht verfallen sondern als Steuer dienen. 12% Steuern im Jahr für die fleißgen im Lande ;), ich würde Freudensprümge machen. Derszeit liegt die Besteuerung mit allen Abgaben und Sozialversicherungen bei kapp 70%. Keine Banken die das Kapital absaugen und von leißig auf megareich umveteilen. Keine Boom und Bust Zyklen mehr, kein Verschuldungszyklus und daduch kein Wirtschaftswachstumszwang. Keine Verteilungskämpfe vor allem am Ende jedes Schuldgeld-Systemsykluses der veschiedenen Gesellschaftsklassen. Klingt doch vernünftig .
Wann kann man endlich den Quatsch sein lassen, Gesell in ein rechtes Eck zu drängen um damit die ganze Theorie zu diskreditieren?
Wann beginnen Kritiker endlich sich tiefgehend mit dem Theoriegebäude zu beschäftigen? Nur damit nicht Dinge aus dem Zusammenhang gerissen oder überhaupt falsch dargestellt werden (z. B. das Sparen nicht möglich ist in einem Freigeldsystem und ähnlicher Unfug).
Ich bitte Sie wirklich sehr herzlich - Herr Prabel - legen Sie Ihre Vorurteile für einen Moment beiseite und lesen sich sich gründlich ein. Es wäre sehr schön in einiger Zeit einen objektiveren und besser recherchierten Artikel von Ihnen zu diesem Thema zu lesen. Dieser kann ja ruhig kritisch sein - solange er fundiert ist....
Der Zinseszins ist und bleibt der Totengräaber eines Geldsystems, das auf BSP-Parität und Geldumlauf angewiesen ist, wenn es wirklich dauerhaft funktionieren soll.
Deswegen finde ich den Artikel unnötig und wenig lösungsorientiert.
zuerst muss man sich die frage stellen, steht den gelddruckern (geschäftsbanken und notenbanken) überhaupt der zins für dieses geld zu? ich sage klar nein!! da ich der überzeugung bin, - es geht nicht ohne zins, - muss alle zinszahlungen dem volke zu gute kommen. und wenn wir es schaffen, dass die gesamte öffentliche hand sich nur noch mit einem bruchteil(5%) von heute sich verschulden dürfen; - und alle menschen, welche mit fremden gelde umgehen auch dafür persönlich haften müssen, - dann haben wir einen riesen großen schritt einer weitreichender verbesserung erreicht
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