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Was Samaras unter einem normalen Land versteht
von Wolfgang Prabel
03.01.14 08:29:56
Wenn man wissen will, was griechische Beteuerungen und Prognosen Wert sind, muß man ein griechisches Sagenbuch auf einer zufälligen Seite aufschlagen und zwei Seiten Mythologie lesen. Das reicht für praktische Zwecke. Was sich auf dem Olymp rund um Zeus zutrug, ist ein Zusammenschnitt aus Denver Clan, Hänsel und Gretel, Pinoccio und den Flodders. Der erste Herrscher Uranos wurde von seinem Sohn kastriert, woraufhin die Titanen herrschten. Diese wurden von Zeus gestürzt. Zeus war Kannibale und verspeiste seine schwangere Geliebte Metis, da er keine Konkurrenz durch einen Sohn haben wollte. Und so ging es auf dem Olymp am laufenden Band weiter. Betrug, Verrat, Ehebruch, Mord, Totschlag und nicht zuletzt Lügen und Desinformation. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der griechischen Götter untereinander oder mit Dritten gab es selten.
Samaras steht offensichtlich in dieser Erzähltradition und führt am Jahresende die internationale Presse an der Nase rum. Seine Botschaft: Griechenland will ohne neue Hilfskredite auskommen. 2014 werde Griechenland den großen Schritt zum Verlassen der Hilfs- und Rettungsprogramme mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds machen und keine neuen Hilfen benötigen, sagte der griechische Regierungschef Antonis Samaras. Griechenland wird im kommenden Jahr "wieder an die Märkte" zurückkehren und den Weg zurück zu einem "normalen Land" einschlagen. So berichtet es die deutsche Qualitätspresse.
Sie kann uns allerdings nicht erklären, wie der Optimismus mit den letzten Zahlen des griechischen Statistikinstituts ELSTAT und der Bank von Griechenland zusammenpaßt. Hier die nüchternen Zahlen:
BIP – 3,0 % (3. Quartal 2013 gegenüber 3. Quartal 2012)
Industrieproduktion – 5,2 % (Okt. 2013 gegenüber Okt. 2012)
Einzelhandelsumsatz – 5,9 % (Okt. 2013 gegenüber Okt. 2012)
Bauproduktion – 36,6 % (Okt. 2013 gegenüber Okt. 2012)
Mobiltelefonie – 14,6 % (Okt. 2013 gegenüber Okt. 2012)
Arbeitslosigkeit: 27,1 % im 2. Quart. 2013 gegenüber 23,6 % im gleichen Vorjahrszeitraum
Der Außenhandel weist folgende Zahlen auf:
Export – 6,8 % (Sept. 2013 gegenüber Sept. 2012)
Import – 0,0 % (Sept. 2013 gegenüber Sept. 2012)
Einnahmen Fremdenverkehr + 17,3 % (Sept. 2013 gegenüber Sept. 2012)
Ausgaben der Griechen für Auslandsreisen +18,8 % (Sept. 2013 gegenüber Sept. 2012)
Leistungen des Verkehrswesens + 6,5 % (Sept. 2013 gegenüber Sept. 2012)
Der einzige Lichtblick sind der Fremdenverkehr und die Leistungen der Reedereien. Im Gegenzug ist die Reiselust der Griechen ins Ausland stark gestiegen.
Die Staatsausgaben betrugen Jan – Oktober 2013 48,0 Mrd. €, im selben Zeitraum 2012 betrugen sie noch 56,8 Mrd. €. Die Einnahmen betrugen von Jan – Okt 2013 45,0 Mrd. € gegenüber 44,6 Mrd. € im gleichen Vorjahreszeitraum.
Die Ausgabeneinsparung resultiert überwiegend aus künstlicher nicht marktgerechter Reduzierung der Zinszahlungen auf Staatsanleihen (Draghis Werk). Die Einnahmen werden mit EU-Transfers aufgepeppt (Barrosos Beitrag). Was passiert, wenn Griechenland tatsächlich an die „Märkte“ (was immer Märkte für Staatsanleihen auch sein sollen) zurückkehrte ist klar. Die Zinsen würden steigen und Griechenland wäre sofort pleite.
Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer sind 2013 gegenüber 2012 stark eingebrochen, genauso wie die indirekten Steuern. Die Mehreinnahmen resultieren lediglich aus der Kapitalertragssteuer, aus „Nicht-Steuereinnahmen“ und „Erlösen des öffentlichen Investitionsbudgets“ (Neusprech für Fördergelder der EU).
Bei den Staatsausgaben sanken die Personalausgaben nur sehr langsam (von 21,6 Mrd. € 2012 auf 19,7 Mrd. € 2013) während sich die Zinszahlungen für die Staatsschuld auf 6,1 Mrd. € halbiert haben. Die öffentlichen Investitionen sind mit 6,6 Mrd. € sehr bescheiden und werden überwiegend von der EU finanziert.
Herr Samaras kann mit Draghis Hilfe und Fördergeldern der EU einen Staatshaushalt zusammenbasteln, der mit 12 Milliarden extern gestützt wird und dadurch halbwegs bilanziert. Die Außenwirtschaftszahlen stimmen aber nach wie vor nicht. Der Außenhandel ist stark defizitär und die grenzüberschreitenden Dienstleistungen können das nicht ausgleichen. Aus den Steuereinnahmen und der Arbeitslosenrate kann man leicht erkennen, daß sich Griechenland immer noch im Schrumpfmodus befindet, weil die Proportion zwischen Staatsapparat und produktivem Bereich nicht annähernd stimmt. Das Auslandskapital weiß das und macht einen weiten Bogen um Griechenland. Die Investitionen in die Privatwirtschaft bewegen sich irgendwo bei Null. Für die Zukunft der kleinen Leute bedeutet das nichts Gutes. Der aufgeblähte Beamtenapparat, der die Regierungs- und Oppositionsparteien beherrscht, wird auf Kosten der Zukunft der Bevölkerung um jeden Preis weiter am Leben gehalten – auf Kosten der Arbeiter, Bauern, Handwerker und Unternehmer.
6 Kommentare
Auch Spanien und Irland werden auf mittlere Sicht wieder unter den Rettungsschirm zurückkehren müssen, der Verzicht auf weitere Unterstützung ist nur begründet in der Absicht, eine Normalisierung der Lage in Europa vorzutäuschen.
Griechenland befindet sich in einer zinsinduzierten wirtschaftlichen Abwärtsspirale, aus dessen Sumpf sich das Land unmöglich herausarbeiten kann. Das Land benötigt ein Erlaßjahr (5. Mose 15, 1ff.):
http://bibel-online.net/buch/luther_1912/5_mose/15/#1
"Alle sieben Jahre sollst du ein Erlaßjahr halten. Also soll's aber zugehen mit dem Erlaßjahr: wenn einer seinem Nächsten etwas borgte, der soll's ihm erlassen und soll's nicht einmahnen von seinem Nächsten oder von seinem Bruder; denn es heißt das Erlaßjahr des HERRN."
Für mich als steuerliche Verfügungsmasse unserer Politiker stellt sich allerdings die Frage, warum nicht die Gläubiger Griechenlands und unsere Politiker mit ihrem persönlichen Privatvermögen für ihre Entscheidungen zur Unterstützung Griechenlands aufkommen.
Ich selbst hätte niemals griechische Staatsanleihen gezeichnet. Warum sollte ich dann als Steuerbürger der BRD für die Verluste anderer Zeichner von Staatsobligationen aufkommen?
Meine persönlichen Gründe mögen heute als Diskriminierung bezeichnet werden, weil ich mich an historischen Vorbildern orientiere.
a) Griechenland war schon immer, warum auch immer, ein problematischer Schuldner, wie sich im ganzen 19. Jahrhundert erwies. Ich verweise auf Alfred Manes, Staatsbankrotte, Berlin 1922, S. 45 und 47:
http://gruenguertel.kremser.info/wp-content/uploads/Manes_Staatsbankrotte_2a_1922.pdf
b) Selbst der Heilige Paulus gestattete sich eine Entgleisung gegen die Kreter:
Titus 1, 12
http://bibel-online.net/buch/luther_1912/titus/1/
"Es hat einer aus ihnen gesagt, ihr eigener Prophet: "Die Kreter sind immer Lügner, ... ." 13 Dies Zeugnis ist wahr."
c) Last not least hat Karl May, der heute von den Massenmedien nicht mehr besonders beworben wird, möglicherweise weil er fundierte Diskriminierungen verbreitete, die griechische Ehrlichkeit sehr bezweifelt.
Ihre griechischen Mythen lassen sich meiner Meinung nach nicht mehr als heutiges Analogon heranziehen.
Mir scheint aber doch interessant zu sein, dass die Göttin der Liebe, Aphrodite, schon damals so lebte, wie viele Frauen heute in der Zeit der Pille, so dass sich die Jungfräulichkeit als Ideal des Evangeliums erübrigt hat.
Ares entehrt das Bett des Hephaistos mit Aphrodite, Odyssee, 8, 285 ff.
http://www.gottwein.de/Grie/hom/od08de.php
Ares schlummerte nicht, der Gott mit goldenen Zügeln,
Als er verreisen sahe den kunstberühmten Hephaistos.
Eilend ging er zum Hause des klugen Feuerbeherrschers,
Hingerissen von Liebe zu seiner schönen Gemahlin.
Aphrodite war eben vom mächtigen Vater Kronion
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Heimgekehrt und saß. Er aber ging in die Wohnung,
Fasste der Göttin Hand, und sprach mit freundlicher Stimme:
Komm, Geliebte, zu Bette, der süßen Ruhe zu pflegen!
Denn Hephaistos ist nicht daheim; er wandert vermutlich
Zu den Sintiern jetzt, den rauhen Barbaren in Lemnos.
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Also sprach er, und ihr war sehr willkommen die Ruhe.
Und sie bestiegen das Lager, und schlummerten. Plötzlich umschlangen
Sie die künstlichen Bande des klugen Erfinders Hephaistos;
Und sie vermochten kein Glied zu bewegen oder zu heben.
Aber sie merkten es erst, da ihnen die Flucht schon gehemmt war.
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Jetzo nahte sich ihnen der hinkende Feuerbeherrscher.
Dieser kehrte zurück, bevor er Lemnos erreichte,
Denn der lauschende Gott der Sonne sagt' ihm die Tat an.
Eilend ging er nach Hause, mit tiefbekümmerter Seele,
Stand in dem Vorsaal still; und der rasende Eifer ergriff ihn.
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Fürchterlich ruft er aus, und alle Götter vernahmen's:
Vater Zeus, und ihr andern, unsterbliche selige Götter!
Kommt und schaut den abscheulichen unausstehlichen Frevel:
Wie mich lahmen Mann die Tochter Zeus' Aphrodite
Jetzo auf immer beschimpft, und Ares den Bösewicht herzet;
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Künftig möchten sie zwar, auch nicht ein Weilchen, so liegen!
Wie verbuhlt sie auch sind, sie werden nicht wieder verlangen,
So zu ruhn! Allein ich halte sie fest in der Schlinge,
Bis der Vater zuvor mir alle Geschenke zurückgibt,
Die ich als Bräutigam gab für sein schamloses Gezüchte!
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Seine Tochter ist schön, allein unbändiges Herzens!
http://www.griechenland-blog.gr/2014/01/griechenland-primaerer-ueberschuss-der-angst-oder-der-hoffnung/85775/
Hier hat sich niemand über die Menschen in Griechenland lustig gemacht. (Das macht vielleicht die Blödzeitung, wenn sie die Bevölkerung gegeneinander aufhetzt. Aber das ist ja bekannt, man denke an Christian Wulff!)
Ich möchte hier feststellen, dass ich das griechische Volk für völlig unschuldig halte für die von ihrer politischen Klasse betriebene gigantische Verschuldung.
Es geht hier nur darum, wer jetzt die Zeche bezahlt, nachdem nun einmal Griechenland im Euro-Raum ist.
Ursächlich sind zweifelsohne nicht die deutschen Steuerzahler, die in keiner Weise irgendeine Verantwortung für die griechische Schuld zu tragen haben. Verantwortlich dafür sind einzig und allein die Gläubiger wie Soros sowie die die Verantwortung tragenden Politiker sowohl in Griechenland als auch Deutschland.
Wer von unseren Bundestagsabgeordneten den griechischen Hilfsgeldern und dem ESM zugestimmt hat muß zwingend mit seinem Privatvermögen die Verantwortung für eventuelle Verluste übernehmen!!!
Ein Staatswesen darf über leichtsinnige Bürgschaften seiner Politiker niemals hinwegsehen, wenn es nicht selbst dem Untergang geweiht sein will.
Meinen aufrichtigen Dank dafür, dass auch Sie nicht der sonst so üblichen Verallgemeinerungstendenz verfallen sind. Dem Rest Ihrer Argumentation kann ich nur voll zustimmen und ich kann Ihnen versichern, dass die griechische Bevölkerung im Allgemeinen nie irgendwelche Mitschuld beim deutschen Steuerzahler gesucht hat, sondern für dessen berechtigte Besorgnis über den Ausgang der Dinge vollstes Verständnis aufweist.
Vereinzelte politische Parolen, die von den Massenmedien oftmals aufgebauscht werden, dienen nur dem billigen Populismus und keinesfalls der Verständigung.