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Von Wilster nach Grafenrheinfeld mit Freileitung oder Kabel
von Wolfgang Prabel 12.02.14 03:51:52
Von der Systempresse werden gerade Märchen über die Stromautobahn von den Windparks in der Nordsee zu den Verbrauchern in Süddeutschland erzählt. Von Wilster bis Grafenrheinfeld sind es auf der Bundesautobahn BAB A 7 558 km. Zwischen diesen beiden Orten soll Elektroenergie übertragen werden. Die Trasse wird im Moment geplant. Das heißt, es werden Varianten untersucht und mit Behörden abgestimmt, es werden Planfeststellungsunterlagen erarbeitet, die in die Bürger- und Behördenbeteiligung gehen. Die Unterlagen werden nach Bearbeitung der Einwendungen von Bürgern, Gemeinden, Grundeigentümern, Behörden und Verbänden überarbeitet und planfestgestellt. So ist der Ablauf. Das hört sich einfach und logisch an.
Ist aber kompliziert. Die Trassenfindung wird nämlich vor Ort nach dem Sankt-Florians-Prinzip beurteilt. Immer soll die Trasse beim Nachbarn langgehen. Die Umweltverbände verlangen immer wieder neue Variantenuntersuchungen, die teilweise sinnlos sind und nur der Verzögerung und Verwirrungsstiftung dienen. Und über diesem Trassenkampf schwebt die Grundsatzfrage: Soll eine Freileitung gebaut werden, oder soll die Strecke erdverkabelt werden.
Für die konventionelle Drehstrom-Freileitung sprechen die Baukosten und die Erfahrungen bei Bau und Betrieb. Außerdem ist sie unterwegs mit dem vorhandenen Leitungsnetz verknüpfbar. Für die Gleichstrom-Erdverkabelung sprechen landschaftsästhetische Belange und der Schutz der Vogelwelt. Schon jetzt ist klar, daß es erbitterten Streit zwischen den Befürwortern beider Lösungen geben wird.
Technisch-ökonomisch ist erst mal erforderlich, daß man sich für eine von beiden Lösungen konsequent entscheidet. Der abschnittsweise Wechsel zwischen Hochspannungsfreileitung für Drehstrom und Erdverkabelung für Gleichstrom ist sündhaft teuer, da jede Umformung des Stroms etwa 90 Mio. € an Investitionen kostet. Was Bundeslandwirtschaftsminister Friedrich fordert, ständig bei Landschaftsbild und anliegender Bebauung zu verkabeln und dann wieder in die Freileitung zu wechseln, das geht nur dann, wenn die Freileitung auch für Gleichstrom gebaut wird. Eine Gleichstrom-Freileitung kostet aber schon wieder das zwei- bis dreifache einer Drehstrom-Freileitung. Vor der bayrischen Kommunalwahl wird Bürgerinitiativen und den ahnungslosen Qualitätsmedien verantwortungslos zum Mund geredet.
Zu den technischen und ökologischen Einzelheiten gibt es übrigens zwei interessante Quellen im Netz, die ich gefunden habe: Die Dena hat eine Übersicht zu Stromübertragungstechnologien ins Netz gestellt. Und es gibt eine BMU-Studie „Ökologische Auswirkungen von 380-kV-Erdleitungen und HGÜ-Erdleitungen“.
Die Befürworter der Drehstrom-Freileitung argumentieren mit dem Kostenunterschied (1,0 bis 1,5 Mio pro Kilometer zu 10 Mio für die Gleichstrom-Kabellösung). Außerdem weisen sie auf geringere Betriebskosten hin. Sie behaupten, die Leitungsführung sei flexibler an das Gelände anpaßbar.
Die Freileitungsgegner behaupten wiederum, eine Verkabelungstrasse sei kürzer, über dem Kabel könne Landwirtschaft betrieben werden und die Trassenbreite sei geringer. Und außerdem sei der Kostenunterschied kleiner. >Hier
Die Trassenbreite ist beim Kabel tatsächlich deutlich geringer. Mit der landwirtschaftlichen Nutzung ist das so eine Sache. Über oder neben der Leitung muß dauerhaft eine Straße oder ein befestigter Weg unterhalten werden, der den Zugang zum Kabel gewährleistet, um an die Muffen und an die Kabel jederzeit heranzukommen. Wegen dieser Straße, die man auch schon als Baustraße benötigt, kommt die Trassierung über Schluchten und steile Berghänge nicht in Betracht. Man kann nur so trassieren, daß die Leitung an einer befahrbaren Straße liegt. Da ist bei ungefähr 10 % Längsgefälle Schluß, weil die Befahrbarkeit auch im Winter gewährleistet sein muß. Ob die Verkabelungstrasse unter diesen Bedingungen kürzer wird, ist eine gute Frage: im Gebirge wahrscheinlich nicht. Außerdem werden durch die Straße die Bewirtschaftungseinheiten (Felder) der Bauern doch zertrennt.
Der Tiefbaupraktiker weiß, daß es Leitungskreuzungen, Kreuzungen mit Straßen, Eisenbahnen, Wegen und Gewässern gibt. Mit Freileitungen ist man da relativ flexibel, mit Kabeln nicht so. Jede Kreuzung erfordert bei Kabeln Dükerungen oder Bohrungen bzw. Umverlegungen von anderen Medien. Größere Medienleitungen sind teuer anzupassen, bzw. der Trassenverlauf ist auf vorhandene Leitungen und Kabel abzustimmen. Das können Erdgasleitungen, Produktenleitungen oder Fernwasserleitungen sein. Den Aufwand für kleine Leitungen und Kabel will ich nicht übertreiben. Aber viele Hunde sind auch des Bären Tod. In der Lüneburger Heide kommt man vielleicht auf 1 bis 3 Kreuzungen pro Kilometer, in dicht besiedelten Bereichen können es schnell 10 bis 20 werden.
Der Bauaufwand für eine Verkabelung ist hinsichtlich der baubedingten Störungen des Naturhaushalts nicht unbeträchtlich. Der Laie unterschätzt, wie die Baustelle einer Dükerung oder einer Leitungskreuzung aussieht, wenn das Wetter gerade schlecht ist. Die Freileitungstrasse erfordert baubedingt wesentlich geringere Eingriffe. Überhaupt ist die Freileitung deshalb billiger, weil zu ihrer Errichtung deutlich weniger Energie verbraucht wird, Bauprozesse sind nun einmal sehr energieintensiv. Baukosten sind grob gerechnet zur Hälfte Energiekosten. Wenn die Grünen und die Umweltverbände (außer den Vogelschützern natürlich, die profunde Argumente haben) es mit der Energieersparnis und dem Naturschutz ernst meinen würden, so würden sie für die Freileitung votieren. Man kann jedoch darauf wetten, daß sie den Bürgerinitiativen assistieren, so wie sie früher den Pädos geholfen haben. Das ist inzwischen wie ein Reflex, es passiert ohne zu überlegen.
Auf solche Besonderheiten, daß Feuchtgebiete durch eine größere Stromkabeltrasse gefährdet werden, möchte ich hier nicht näher eingehen. Die Naturschützer werden Umgehungsvarianten fordern, was auch der Gesetzeslage entspricht und Trassenverlängerungen mit sich bringt.
Wenn wir mal die Baukosten zugrunde legen, die in der WELT veröffentlicht worden sind, so ergeben sich für die Drehstrom-Freileitungsvariante Baukosten von ca. 1 Mrd. € und für die Gleichstrom-Kabelvariante etwa 6 Mrd. €. Wobei die Verkabelung eine Experimentalbauweise ist, für die es keine genauen Erfahrungen gibt. Bisher wurden solche Hochspannungs-Gleichstrom-Kabel (HGÜ-Kabel) als Seekabel gebaut. In Berlin gibt es ein Pilotprojekt an Land, welches zu klein ist, um alle Fragen zu beantworten. Die Kosten von 1 Mrd. € für die Freileitung werden durch Auflagen in der Planfeststellung und endlose Verzögerungen durch Einsprüche um ein mehrfaches überschritten werden, und an die 6 Mrd. für die Kabellösung glaube ich auch nicht. Man braucht nur an BER, Stuttgart 21 und die Elbphilharmonie zu denken.
In meinen Einträgen wird immer überschläglich geklärt, was es den Bürger kostet. Wenn wir mal annehmen, daß 5 Mrd. € Mehraufwand für die Verkabelung entstehen, so sind das pro Bürger 62 € oder für eine vierköpfige Familie 250 €.
Da der Windstrom in Grafenrheinfeld nicht vernünftig zwischengespeichert werden kann, und im süddeutschen Netz nicht bedarfsgerecht zur Verfügung steht, ist die Leitung das Geld nicht wert. Denn erstens wird die Leitung zu etwa 80 % für Flatterstrom gebaut, der nicht gespeichert und darum nicht bedarfsgerecht eingespeist werden kann. Zum Unsinn des Windstroms >Hier. Zweitens muß jede deutsche Familie für sich selbst entscheiden, ob sie 250 € für die Verkabelung spendieren will oder kann...
12 Kommentare
Sie haben eine sehr gute Zusammenfassung des Themas gebracht, auch bei Einzelheiten. Hochachtung!
Auch Prof. Sinn (Ifo) hat in einem Vortrag am 16.12.2013 den technischen und ökonomischen Irrsinn der gesamten Energiewende schonungslos vorgeführt. Die Teilverkabelung will jetzt diesen Irrsinn noch potenzieren.
Sie schreiben: „Der abschnittsweise Wechsel zwischen Hochspannungsfreileitung für Drehstrom und Erdverkabelung für Gleichstrom ist sündhaft teuer, da jede Umformung des Stroms etwa 90 Mio. € kostet“. Ja, dann ist eine Konverterstation erforderlich. Aber was spricht dagegen, den Trassenanschnitt mit einer Gleichstromfreileitung weiterzuführen. Da wären jeweils „nur“ Endverschlüsse, Freileitungsendmast und Seilabführung notwendig!!
Dass eine Gleichstrom-Freileitung das zwei- bis dreifache einer Drehstrom-Freileitung kosten soll, erscheint mir sehr stark überzogen. Haben Sie eine Quellenangabe?
kWh
Bei den Leitungstrassen werden die „Wendejünger“ ein zweites Wackersdorf erleben. Das Thema ist hoch emotional und aggressiv aufgeladen.
Ich habe vor 20 Jahren die Planung einer Neubaustrecke der Bahn verfolgt. Was da alles an Varianten der Festen Fahrbahn erprobt wurde, bis diese optimiert war, das war schon gigantisch. Auch eine HGÜ-Übertragung ist in Teilen wirklich Neuland!
p.s. Ein Pumpspeicherkraftwerk haut selber auch noch ca. 70-80% Wirkungsgrad rein. Rechne sich selber jeder aus, was Solaranlagen für einen Gesamtgrad erreichen, Windparks könnten zumndest (theoretisch) den Strom gleich mit 50Hz erzeugen und synchronisieren.
Der Forschungscharakter der Aufgabenstellung bedeutet einerseits, dass keiner der energiewendeeuphorischen Politiker den Bürgern wirklich verbindliches über Kosten und Folgen sagen kann. Andererseits eröffneten sich, wenn Deutschland hier erstmals praktikable Pionierlösungen fände und demonstrieren könnte, ein Feld für Exportmöglichkeiten in bedürftige Drittländer mit vergleichbarem Lösungsbedarf.
Wenn ich mich in der Welt umsehe, macht Deutschland allerdings den sprichwörtlichen Geisterfahrer. Die Majorität denkt gar nicht daran, unseren hysterie-, angst- und unwisssenheitsgetriebenen Wendewahnsinn mitzumachen und nutzt statt dessen gangbare ökonomisch und technisch vorteilhafte Lösungen wie z.B. moderne sichere und CO2-neutrale Kernkraft nahe dem Bedarfsort.
Ich habe die Freileitung einer HGÜ in Kanada mitgeplant (950 km, 2000A 500.000V)
Die Verlustleistung beträgt 3% diese fallen Hauptsächlich beim Transformieren an, wie kühlen der Tyristorventile. Beim Transformieren entstehen nur geringe Verluste. Der technische Aufwand währe bei jeder Änderung erheblich. Landwirtschaft könnte in näherer Umgebung nicht stattfinden. Man beachte die HGÜ in Südafika. Doies ist zwar eine Freileitung jedoch in einem Abstand von ca. 80 m links und rechts der Leitung ist die Vegetation sehr spärlich. Dies würde auch zu einem geringeren Teil bei einem Drehstromnetz zutreffen. Beim Drehstromnetz kommt hinzu das mindestens alle 300 km eine Trafostation gebaut werden muß was alleine zusätzlich zu den Leitungsverlusten etwa 4-6% Wärmeverlust bedeutet. Alles in allem ist eine HGÜ sinnvoller. Wenn sie schon eingegraben werden soll bietet sich der Mittelstreifen der Autobahn an.
Wenn ich Sie richtig interpretiere, kann mit Hochspannungs-GleichstromÜbertragung (HGÜ) sowohl über- als auch unterirdisch ohne kostentreibende Systemübergänge gearbeitet werden, was unterirdisch die Verluste wegen der bei Drehstrom störenden „kapazitiven Beläge“ sogar erfeulich veerringert.
Warum bei Drehstrom aller 300 km ein Trafo benötigt wird, ist mir auch nach Studium einiger Fachseiten unerfindlich – sollten Sie etwa die in gewissen Abständen zur Blindleistungskompensation nötigen Kompensations-induktivitäten meinen? Für den physikunkundigen Leser: Die Umladung der Kapazität zwischen Leiter und Erdreich erzeugt Blindströme, die zu unerwünschten Verlusten an übertragener Elektroenergie führen. Bei Gleichsspannung gibt es keine solchen Umladungen. S. Wikipedia, „HGÜ“.
Diese technische Erbsenzählereien dürfte den üblichen Goldseitenleser wohl eher weniger interessieren, wir Experten und „Experten“ sollten uns aber um Verständlichkeit bemühen, wenn wir schon glauben, uns hier einmischen zu müssen.
Soviel „Experten“, soviele Meinungen!!
Der Artikel hatte weder 50Hz Technik noch Gleichspannung priorisiert. Es ist noch kein Entscheid gefallen. Also nicht so empfindlich.
https://de.wikipedia.org/wiki/Elektrokultur
http://de.wikipedia.org/wiki/Baltic_Cable#Umweltaspekte_der_im_Wasser_versenkten_Elektroden
Ähnliches dürfte im Erdreich geschehen. Es ist ein typisches Problem von Gleichstrom.
http://www.obervermuntwerk2.at/inhalt/at/134.htm
Da wird schon mal mit 500Mio Euro in ein neues Pumphaus am Alpenrand investiert, um das, aus dem windigen Norden destabilisierte, Verbundnetz zu puffern. Ist sicher ein gutes Geschäft mit dem Nordseestrom. Ich schätze mal, bis der Strom auf der Silvretta und wieder zurück ist, haben wir einen Wirkungsgrad von ca. 50%. Wie die (siehe Text) mit einem Pumpwerk energieautonom werden ist mir allerdings ein Rätsel. Volksverblödung? Und der ganze Materialaufwand ... der helle internationale Wahnsinn.
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