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Eine Chance auf billiges Gas

von Wolfgang Prabel E-Mail 16.03.14 05:17:17

In den USA tobt seit langem der Kampf zwischen Gegnern und Befürwortern von Gasexporten nach Europa.

Diese Auseinandersetzung gewinnt im Lichte der Krise in der Ukraine einen neuen Drive.

Auf der einen Seite gibt es die America Energy Advantage (AEA) als eine Gruppe von Unternehmen und Organisationen, die das Gas im Land behalten will, um eine Renaissance der amerikanischen Industrie durch reichliche und billige Versorgung mit Erdgas zu bewirken. Die AEA behauptet, daß LNG-Exporte (LNG ist verflüssigtes Erdgas, welches für den Transport in Produktentankern geeignet ist) zu einer geringeren Beschäftigung führen würde und die Wiederauferstehung der amerikanischen Industrie behindern würde.

Die Exportgegner ziehen argumentativ alle Register: "Die US-Regierung muss sicherstellen, dass wir die schnell wachsende zukünftige Nachfrage nach Erdgas in unserem Land decken, bevor wir blindlings in den massiven Export von LNG gehen", sagte zum Beispiel Peter Huntsman, Präsident und CEO der Huntsman Corporation, eines international tätigen Chemieunternehmens mit der Firmenzentrale in Salt Lake City, Utah.

Die AEA hat ein Gefälligkeitsgutachten mit folgendem Inhalt anfertigen lassen: Die US-Wirtschaft würde mehr profitieren, wenn Erdgas in der heimischen Fertigung verbraucht wird, statt es als LNG zu exportieren. Es wären mehr als 90 Mrd.$ Investitionen in energieintensiven US-Produktionen angekündigt (auch deutsche Betriebe gehören dazu. BASF produziert gerne und mit Erfolg in den Staaten). Diese Investitionen könnten eine Verdoppelung des BIP, eine Verachtfachung der Dauerarbeitsplätze in den betreffenden Industrien und eine Vervierfachung der Stellenangebote im Baugewerbe auslösen, so die AEA. Die durch billiges Gas erzielbare US-Produktion würde das Handelsdefizit um 52.000.000.000 $ jährlich verringern, verglichen mit $ 18 Milliarden Euro für den Export von Erdgas als LNG.

Solche abenteuerlichen Kalkulationen, bei denen das Handelsergebnis amerikanischer Fertigwaren in Dollar mit 9 Nullen angegeben wird, und die Exporterlöse für Erdgas in Mrd. € tragen die deutliche Handschrift von Lobbyisten. Auch eine Vervierfachung der Arbeitsgelegenheiten in der Bauindustrie ist vermutlich nicht einmal temporär zu erreichen.

Die amerikanischen Gasförderer liegen mit der AEA über Kreuz. Sie leiden unter niedrigen Gaspreisen, die durch zu geringen Verbrauch in Amerika entstehen und wollen möglichst schnell exportieren. Gas in Amerika ist im Verhältnis zum europäischen Markt wirklich billig:
Gazprom-Gas: 350 $ / 1000 m3 = 0,35 $ / m3
Amerikanisches Henry Hub: 4,40 $ / 26,4 m3 = 0,17 $ / m3
2012 lag der amerikanische Gaspreis auf einem historischen Tiefststand von etwa 0,09 € / m3

Aktuell hat ein extrem kalter Winter die Gaspreise stabilisiert, aber heute wo ich den Eintrag schreibe, ist der Preis mit Frühlingsgefühlen um 13 % zusammengeschnurrt. Hoch ist auch der Leidensdruck der kanadischen Förderer. Ihnen fehlen besonders im Westen Kanadas Transportleitungen nach den USA. In Texas gibt es Vorkommen, die zu energiehaltig sind, um sie in das Leitungssystem einzuspeisen. In den Augen der Förderer drehen sich die Dollarzeichen, wenn sie daran denken, daß sich durch Außenhandel der Gaspreis zwischen dem alten Europa und Amerika auf einem mittleren Niveau einpendeln könnte.

Um Gas aus Amerika nach Europa und Asien zu exportieren, muß es zu LNG verflüssigt werden. In den USA werden derzeit in Sabine Pass, Lake Charles und Hackberry (Louisiana), Freeport und Corpus Christi (Texas), Coos Bay und Astoria (Oregon) sowie Cove Point, Maryland Verflüssigungsstationen gebaut, um LNG nach Europa und Asien exportieren zu können. Umgekehrt wird in vielen europäischen Ländern an Rückvergasungsstationen gearbeitet, außer in Deutschland. Besonders fleißig sind hier die Niederlande. Über vorhandene Leitungssysteme kann dieses Gas jedoch auch nach Deutschland fließen.

Schiedsrichter im Streit um die amerikanischen Gasexporte ist das staatliche Department of Energy, welches Genehmigungsbehörde für die Ausfuhren ist. In den vergangenen Jahren hat das Energiedepartment von mehr als zwanzig Anträgen auf den Export von Flüssiggas nur sechs genehmigt. Diese Energie-Abteilung hat natürlich auch die amerikanische Handelsbilanz im Blick, die durch Gasexporte aufgehübscht würde. Und sie empfängt natürlich Befehle aus dem Weißen Haus, die nicht unbedingt wirtschaftlich motiviert sein müssen. Das Foreign Office hat seit Jahren Druck gemacht, insbesondere Osteuropa zu beliefern. Das Weiße Haus selbst hat in der aktuellen politischen Situation bestimmt das Interesse, Gasprom durch LNG-Exporte unter Druck zu setzen. Die republikanische Opposition drängelt ebenfalls in diese Richtung.

Nicht unerwähnt lassen kann man den Umstand, daß im Falle eines Freihandelsabkommens mit Europa die Lieferung von US-LNG nicht mehr an Ausfuhrgenehmigungen gebunden wäre. Wohl auch ein Grund, für die Politkommissare in Brüssel, das Freihandelsabkommen voranzutreiben. Etliche europäische Länder drücken diesbezüglich energisch auf die Tube, während die Öffentlichkeit und die Parteien in Deutschland eher kritisch eingestellt sind. Deutschland hat sich durch diplomatisches Ungeschick in der EU zu stark isoliert, um eigene Positionen erfolgreich vorzutragen.

Wie auch immer: Für Europa ist die Krimkrise ab 2015 eine Chance auf billigeres Gas…

Der Autor ist Betreiber von Prabels Blog. Zum Gaspreis gab es schon öfter Einträge.

3 Kommentare

Kommentar from: WALTER [Besucher]
***--
Eine Abhängigkeit der Energieversorgung von den USA wäre die vollendete Katastrophe, da die USA noch nie einen "Partner auf Augenhöhe" akzeptiert haben ! Das avisierte Freihandelsabkommen ist die dauerhafte Versklavung Europas (bis zum Untergang der USA), siehe http://www.mmnews.de/index.php/politik/17440-petition-ttip#13949486041402&if_height=5655
Dagegen hat Rußland natürlicherweise Interesse an einer kooperativen Beziehung zu (Mittel-)Europa, insbesondere zu Deutschland.
16.03.14 @ 07:52
Kommentar from: Claudius v.d.Bach-Zelweski [Besucher]
**---
Ich raeume zwar ein, im Hinblick auf Gas- oder Rohstoffmärkte nur ein interessierter Leser und kein "Experte" zu sein, aber die Ausführungen des Verfassers erschliessen sich mir nicht.

Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die diversen Transformationsprozesse beim LPG-Gasexport und der Transport mit Schiffen quer über den Atlantik hier etwa "Preisvorteile" für die €Uropaeischen Verbraucher mit sich bringen sollen.

Im Gegensatz zu Pipelines Ist die Volumenmenge an Gas auf Schiffen beschränkt, deren Bau auch relativ sehr viel teurer als der von Pipelines.

Pipelines sind zudem noch extra vorzuhalten, denn das Gas muss ja an den Verladeterminals ankommen und von den Entladeterminals wieder abtransportiert werden.

Zumal auch die Besteuerung von Energie in €Uropa eine ganz andere ist und auch die oligopolartigen Verteilerstrukturen (diese allseitig tributpflichtige
"Bundesregierung" hat erweislich kein Interesse an günstigen Energiepreisen).

Mindestens insoweit das LPG urspruenglich mit dem dubiosen "Fracking"-Verfahren gewonnen wird duerften sich auch die Förderkosten noch höher darstellen als bei russischem Gas.

Insgesamt, so scheint es, dienen derartige "Offerten" - auch mit Blick auf die durch die USA provozierte Krise in der Ukraine - allein dazu, einen Keil zwischen Russland und €Uropa zu treiben und auf diese Weise die €Uropaer weiterhin in den US$-Raum zu hinein zu zwingen.


Dei Verwirklichung der eurasischen Union - die nicht nur Putin, sondern auch andere Persönlichkeiten wie der mutmasslich auch aus diesem Grunde ermordete Herrhausen oder Beiz vorausdachten - bedeutete das baldige Ende des US$-Leitwaehrungsmonopols (welches ja schon keines mehr ist, auch deswegen drängt es mit der Eskalation des Ukraine-Konflikts durch Washington, das weitab vom Geschehen liegt und dessen eigenes Risiko daher sehr kalkulierbar ist) und die Verwirklichung aller Alpträume eines Halford MaCkinder, die ja auch der eigentliche Antrieb der heutigen, Washingtoner Suprematiekamerilla sind.

Das "Privilege impertinent" (de Gaulle), sich parasitär durch blosses Generieren von Computerspielgeld zu Lasten der tributpflichtigen Welt zu erhalten, ist auch eine zu suesse Verlockung, als dass man diese freiwillig aufgäbe.

Die weiteren Rechnungen für diese "Freundschaftsdienste" werden die USA (die bis heute ihre geostrategische und der regionalen Destabilisierung dienende Truppenpraesenz in €Uropa als "Besatzungskosten" auf die Bunzelbuerger
abwälzen, Art. 120 GG, wohlgemerkt bald 70 Jahre nach Kriegsende, und so wird auch klar, weswegen die falschen "Freunde" in Washington keinerlei Interesse an friedensvertraglichen Regelungen haben, sondern Rumpfbunzeldeutschland unter Feindstaatenklausel halten, vgl. Art. 107 Sog. Un-Charta) bald präsentieren.
16.03.14 @ 09:44
Kommentar from: Wolfgang Prabel [Mitglied] E-Mail
Sehr geehrter Herr v.d. Bach-Zelewski, die Frage nach den Transportkosten ist so zu beantworten: Traditionell wurde Erdgas durch Leitungen transportiert. Mittlerweile macht der Flüssiggastransport per Schiff, Bahn und Lkw etwa 30 % des weltweiten Erdgashandels aus. Für die Verflüssigung des Gases werden 10 bis 25 % des Energiegehalts benötigt. Ab 2000 km Transportentfernung verbraucht jedoch der Transport durch Leitungen mehr Energie, als der per Schiff.
Die LNG-Verschiffung gedanklich mit dem Fracking zu verknüpfen ist irreführend, weil das Fracking-Gas an der Herstellung von LNG weltweit einen verschwindend geringen Anteil hat, selbst in den USA ist er nicht so groß, wie von den Systemmedien berichtet.
Die japanische Schiffbauvereinigung gibt jedes Jahr eine Statistik zum Zubau von LNG-Tankern heraus. Der größte Teil dieser Produktentanker wird in Südkorea gefertigt, daß ja auch wie Japan eine wirtschaftliche Insellage hat. 2012 waren 86 LNG-Tanker im Bau, davon 69 in Südkorea. Die Fortschreibung für 2013 wird noch im März 2014 erwartet.
Daß die bundesrepublikanische Regierung kein Interesse an billiger Energie hat ist bisher leider wahr. Viele Nachbarländer sind da rationaler.
16.03.14 @ 13:32

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