« Im integrativen europäischen Haus fliegen die Fetzen | Der Wahlomat ist defekt » |
Eine Fata Morgana des Wachstums
von Wolfgang Prabel 10.05.14 08:29:10
Vor der Europawahl hängen Beruhigungsparolen auf Tafeln an den Laternenmasten. Oder stehen auf Großplakaten „Ein Europa des Wachstums und nicht des Stillstands“ verspricht die SPD. „Wachstum braucht Weitblick und einen stabilen Euro“ verkundigt die CDU. Eine wirklich fühlbares Wachstum des Bruttoinlandsprodukts und der verfügbaren Nettoeinkommen gab es in (West-) Deutschland das letzte Mal allerdings vor 50 Jahren…
Was ist eigentlich Wirtschaftswachstum? Die Statistikämter vergleichen letztlich den Ausstoß an Waren und Dienstleistungen in der entsprechenden Währung mit dem Vorjahr und bereinigen das Ergebnis um die Preisentwicklung. Und dann wird noch ein bißchen rumgefummelt, zum Beispiel die Schattenwirtschaft geschätzt. Das Ergebnis wird immer etwas ungenau sein, selbst wenn man Genauigkeit anstrebt.
Wachstum entsteht, wenn die Zahl der Arbeitskräfte und/oder deren Produktivität steigt. Nach dem zweiten Weltkrieg wechselten Millionen Landwirte, die nach dem Krieg teilweise Subsistenzwirtschaft auf Kleinbauernhöfen trieben, in andere produktivere Wirtschaftsbereiche. Die Zahl der erwerbstätigen Frauen wuchs kontinuierlich.
Das waren Treibsätze für Wachstum. Die Produktivität stieg, weil Energie bis Anfang der siebziger Jahre immer billiger wurde. Die Zinsbelastung der Wirtschaft und des Staates war den Wachstumsprozessen angemessen und ließ ein Ansteigen der Nettoeinkommen der Berufstätigen zu.
Alle diese Faktoren wirken im neuen Jahrtausend nicht mehr. Die Zahl der Beschäftigten wird aus demografischen Gründen sinken, auch wenn die letzte Hausfrau zur Arbeit komplimentiert oder gezwungen wird und das Rentenalter erhöht wird. Der Dienstleistungssektor wird immer größer, gegenüber der Erzeugung von Gütern. Bei Dienstleistungen lassen sich nur bescheidene Produktivitätssteigerungen bewirken, wenn überhaupt. Die Energiepreise steigen und senken die Produktivität. Die Zinsbelastung ist hoch und führt zu einer verstärkten Umverteilung zugunsten des Finanzsektors und möglicherweise zu Abflüssen von Zinszahlungen ins Ausland.
Seit der Regierung Schmidt wurde Wachstum durch kreditfinanzierte Förderprogramme erzeugt. Eine der ersten großen Maßnahmen war die Verschandelung der Städte und Dörfer mit Wärmedämmfassaden in Ziegelsteinoptik. Von Anfang an wurde immer mehr Geld in den Kreislauf gepumpt, als wachstumsmäßig herüberkam. Dieses kreditgetriebene Strohfeuer schwebt Leuten wie dem Franzosenpräsidenten Hollande und dem italienischen Ministerpräsidenten Renzi offensichtlich vor. Und die gute alte Tante SPD will diesen Wünschen offensichtlich entgegenkommen, wenn sie ein Europa des Wachstums propagiert.
„Auf den Flügeln des Kredits schwingt sich das Genie in die Höhe.“ So steht es in alten BWL-Büchern. Selbst in der Privatwirtschaft trifft das nur auf Genies zu. Denn wer seinen Kredit mühevoll abstottert, ist nicht auf dem Weg zum Reichtum. Derjenige macht eher die Bank reich. Auch der Staat ist kein Hexenmeister. Viele Kredite landeten in Regionalflughäfen, Philharmonien, Spaßbädern, Kulturfabriken und Formel-1-Strecken. Die Investitionen, die immer zurückgeflossen sind waren Investitionen in den Straßenbau. Aber wieviel gibt der Staat schon für Autobahnen aus? Da könnte ja ein Hamster, eine Fledermaus oder ein Grüner gestört werden. Selbst für den Anbau eines Seitenstreifens werden heute umfangreiche Umweltverträglichkeitsstudien, landschaftspflegerische Begleit- und Ausführungspläne benötigt, einschließlich von Planfeststellungsverfahren, die sich manchmal über Jahrzehnte hinziehen.
In Europa Wachstum zu erzeugen ist in Wirklichkeit ein mühsamer und langwieriger Prozeß. Bis sich die Bevölkerung stabilisiert und ein möglicher Bevölkerungszuwachs ins arbeitsfähige Alter kommt vergehen selbst unter günstigsten Annahmen etwa 30 bis 40 Jahre, wenn man heute den Hebel herumlegen würde. Hebel rumlegen hört sich sehr technizistisch an, für etwas wozu viel Liebe und Ausdauer gehört… Zur Stabilisierung der Bevölkerung müßte jede Frau drei Kinder bekommen, und zwar wenn sie nicht so alt ist wie Methusalem.
Die Regierung müßte weiter die Energiepreise senken, die Zugangsvoraussetzungen für viele Berufe vereinfachen, die Bürokratiekosten reduzieren. Zum Beispiel die Zwangsmitgliedschaft in Kammern und beim Rundfunk abschaffen. Die teilweise gigantisch langen Ausbildungsdauern der Akademiker reduzieren. Und die Staatsschulden niederschlagen, um die Steuerlast dauernd zu verringern. Viele gering oder falsch qualifizierte Leute könnten in die Wirtschaft integriert werden, wenn deren Leistungen auch außerhalb der Schattenwirtschaft nachgefragt würden. Das funktioniert aber nur, wenn der Nachfrager von Gütern und Leistungen wesentlich weniger Stunden arbeiten muß, um eine fremde Arbeitsstunde einzukaufen. Kurz gesagt, die Steuer- und Abgabenkulisse müßte für wirkliche Vollbeschäftigung eine ganz andere sein. Alles Maßnahmen, die man der SPD und der CDU wegen ihrer bisheriger Regierungspraxis wirklich nicht zutraut…
Die Groko-Parteien sagen den Wählern nicht wie sie das Wachstum herbeizaubern wollen. Sie wissen es wahrscheinlich selber nicht. So bleibt Wachstum eine Fata Morgana am Laternenmast und auf dem Großplakat…
8 Kommentare
Mein Vorschlag.Alle Subventionen streichen.
Freibetrag 20000 Euro.
Einkommen bis 50000 Euro 10% Steuern.
Einkommen bis 100000 Euro 20% Steuern.
Einkommen über 100000 Euro 30% Steuern.
MfG
Achim
Die einzig legitime Chance zur friedlichen Veränderung der jetzigen Situation ist der Boykott: Wahlbenachrichtigungen direkt nach der jeweiligen Wahl ungeöffnet und unkommentiert in den Postkasten werfen (zum Ausdruck: zurück an den Absender). Und dann breitenkommunikativ drakonische Politikerhaftung fordern! Ein Politiker, der lügt oder betrügt oder seine Wähler verrät oder die Bürger ins Unglück führt, muß einfach ALLES verlieren, das heißt, SOFORT bestenfalls auf HARTZ-IV gestellt werden!; totale Enteignung des Missetäters zugunsten des Staates. Dann verändert sich auch was. Und dann; durch bewiesen wahre Kompetenzen; werden die Politiker auch ihren Preis Wert sein. Denn die Leute, die dann Politiker sind, werden sich keine Fehler trauen. Im Gegenzug müssen jene für Gutleistungen aber auch hoch belohnt werden.
Modelle wie von
@ Achim
@ Bert
würden dann viel weiser gehört und diskutiert und letztlich vernünftig und rasch beschlossen. Die Welt kann sich immer nur ändern durch Einsicht und Kritik; aber niemlas durch Blankounterschriften; wie Kreuzchen auf Wahlzetteln im bestehenden System.
Und nochwas: In allen Demokratien der Welt ist jedesmal von Wahlmanipulationen die Rede, und jene wird auch bewiesen. Nur in Deutschland gibts sowas nicht... Ja, klar...
und natürlich keine aktiven Abgeordneten sprich, weniger Dummschwätzer in den Parlamenten. Die entsprechenden Sitze würden frei beleiben oder von freiwilligen "Statisten" besetzt werden (also ändert sich faktisch nich allzu viel. Die Sache spart dem Steurzahler aber Geld für Gehälter, Diäten usw.) Eine noch effizientere Ausformung dieser Idee wäre durch eine entsprechende Gesetzesänderung zu bewerkstelligen. Die läuft darauf hinaus, dass Nichtwähler tatsächlich nicht zur Wahl gehen müssen und der PdN-Fraktion automatisch die Stimmen zugeordnet werden (= Differenz zwischen Anzahl Wahlberechtigter und abgegebener gültiger Stimmen). Damit die Verhältnisse bei Live-Übertragungen aus dem Plenum anschaulich rüber kommen schlage ich vor die PdN-Sitze mit diesen Crash-Test-Dummies (die sind meistens weiß = farblos = symbolisch für ideologiefrei) wie sie in der KFZ-Industrie verwendet werden zu besetzen.
Die Argumentation ist gut bekannt. Doch das Wiederholen von Unrichtigem wird durch weiteres Wiederholen immernoch nicht richtig. Das Problem ist das System. Jenes ist in seiner praktischen Umsetzung ausgeartet. Das Schulwissen ist nur Konformitätspraxis zur bestehenden Propaganda. Richtiger wäre, sich mit den Gesetzmäßigkeiten interessiert VORBEHALTFREI und SELBER auseinanderzusetzen; einfach nackten Gedankens die Gesetze in den Spiegel zur Realität zu stellen; also eine handfeste Evaluation durchzuführen über das Soll und das Ist. JEDER, der das in einem sehr gerecht abwägenden Umfang macht (juristisches Wissen ist hierfür unabdingbar), kommt schlüssig zu dem Ergebnis, daß das Politische Schulwissen im entscheidenden Punkt überhaupt nichts taugt. REPRÄSENTATIVE DEMOKRATIE hat einen guten Sinn, ist aber VERGEWALTIGT worden; ja, ist sogar in politische Superlative gebracht worden: "Parlamentarisch Repräsentative Demokratie" und "Europapolitik". Und die heute von der Führung bestimmte Methodik läßt sich durch jedwede wie auch immer Teilnahme am Wahlsystem nicht mehr korrigieren. Soll punktiert heißen: Das Wählen von kleinen Parteien ändert überhaupt nichts; das ist nur Schöndenken. Protestwählen oder Stimmen ungültig machen, hat jeweils zum Ergebnis, daß man seine Stimme "AB"-gegeben hat. Die ist dann weg! Man hat dann KEINE Stimme mehr; auch nicht zum Ausdrücken in pluralistisch durchaus sinnvollen Protesten (gewaltfrei wäre angenehm). Und die Spielregel lautet klipp und klar, daß man mit der Teilnahme am System das eben Ergebnis aus den Mehrheitsverhältnissen (... per letzlich ja vollzogener MIT-bestimmtung) zu RESPEKTIEREN hat! Das schließt die Entschlüsse der Führung zu Korruption und Enteignung und Verrat usw. ein! Die Sache hat sich unsere Führung verdammt clever gebaut. Und die EINZIGE (noch) legitime Maßnahme, darauf sein Veto auszudrücken, ist eben... (siehe mein Kommentar oben).
Mal kleine kurze Beispiele für die (Mit-)Verantwortung der Wählenden. Denn ohne deren Blankolegitimationen wäre das hier gar nicht möglich gewesen:
- Die Finanzkrise
- Die Deutsch neu beteiligten Kriege
- Die US-Atomraketen auf Deutschem Boden
- Die merkwürdige Steuerpolitik
- Die kaputte Sozialpolitik
- Der paranoide Kontrollwahn gegen jeden
- Die Korruption in Politik vs. Wirtschaft
- Der Verlust der Nähe zur bürgerlichen Basis
- ... eben Etliches!
IHRE Stimme oder auch IHRE ungültige Stimme war dafür die Blankounterschrift! Es lohnt sich, unser Grundgesetz zu lesen; noch besser ist, es auch mehr als nur zu verstehen, nähmlich es zu BEGREIFEN! Die gesamte Freiheitlich-Demokratische-Grundordnung hat einen verdammt guten Ursprung; aber leider eben hat sich die Praxis daraus ein vollkommen anders funktionierendes Ding gebastelt. Es ist durchaus ein schwieriger Weg, das Mantra unserer Medien klugen Geistes weise und gerecht zu hinterfragen. Einige haben damit bereits begonnen. Hoffentlich alsbald noch mehr. Denn die Situation von heute ist nur eine Struktur für die Eliten, nicht für die Völker.
Die Idee des zähligen Nichtwählens hat sich bereits vielfältig etabliert; unter anderem unter:
www.parteidernichtwaehler.de/
www.nein-idee.de/partei/
Das bringt aber nichts, weil jene Parteien Teil des bestehenden Mitmach-und-bürgerlich-kollektiv-mit-haften!-Systems sind. Gut gewollt ist eben nicht immer auch gut gemacht.
(Siehe meine vorausgehenden Beiträge)
Letzte Kommentare