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Wirklich was zum Anziehen statt Prêt-à-porter
von Wolfgang Prabel 29.07.14 18:26:23
In den Goldseiten wurde oft thematisiert, daß Inder und insbesondere Inderinnen Gold- und Silberschmuck als Wertanlage bevorzugen. Sie denken offenbar sicherheitsbewußter als wir Europäer.
Aber auch was die Kleidung betrifft, sind sie die qualitätsbewußteren Käufer.
Meine Freundin war kürzlich im deutschen Internet unterwegs und hat eine nette Bluse gesucht. Ist nicht ganz einfach. In den Shops gibt es fast nur Lumpen. Und die sind auch noch teuer, wenn sie halbwegs aussehen. Die Stoffe sind sehr simpel. Im Katalog und auf dem Foto schimmern sie interessant, wenn man sie auspackt ist man enttäuscht.
Wenn man sich die Pariser Modenschauen 2013/2014 des Segments Prêt-à-porter (Übersetzung: „fertig zum Anziehen“, Konfektion) anschaut weiß man auch warum. Die Kaufhäuser und Shops sind auch in diesem Sommer wieder den Ideen der Modezaren gefolgt. Es gibt Modefarben und Modetrends. Wem die nicht gefallen, der hat eben Pech gehabt. Zumal die Designs der Pariser Modeschauen für den deutschen Textilmarkt noch mal auf unterstes Niveau heruntergebügelt werden, sowohl was den Schnitt, als auch den Stoff betrifft.
In einer angeblich pluralistischen Gesellschaft beherrschen eine Handvoll Pariser ZarInnen die Kleidungsherstellung und den Kleidungsvertrieb weitgehend. Wie das kommt? Werden die häßlichen Fetzen hergestellt, damit man nächstes Jahr alles frustriert wegschmeißt und etwas Neues kaufen muß? Welche Rolle spielt dabei der Handel? Wieweit sind die Konsumenten selbst schuld? Mafiöse Strukturen? Müßige Gedanken!
Wir leben in einer globalisierten Welt und können die Pariser in ihren Lumpen allein rumlaufen lassen. Das Mekka der schönen Stoffe und Designs befindet sich nämlich in Asien. In Indien, Pakistan und Bangladesh werden die schönsten Stoffe gewebt und solide verarbeitet. Und wir Europäer können die fertigen Kleider in asiatischen Internetshops bewundern und natürlich auch bestellen. Im Gegensatz zu halbseidenen europäischen Internetshops zeigt der indische und pakistanische Verkäufer immer eine aussagekräftige Nahaufnahme des Stoffs und der Applikationen.
Es gibt keine Liefer- und Zollprobleme. Die Inder legen eine Zollerklärung auf das Päckchen und das deutsche Hauptzollamt klebt einen Zettel drauf, daß es zollamtlich abgefertigt ist. Man hat keinen Ärger. Das Porto in Indien ist überschaubar. Ein kleines Päckchen Luftfracht nach Deutschland kostet 257 Rupien = 3,20 €. Eine Lieferung aus den Nachbarländern Österreich oder Frankreich ist mehrfach teurer.
Wenn man auspackt ist man verwundert über die Qualität. Alles ist exakt verarbeitet, die Stoffe schimmern seidig. Die Applikationen halten was sie versprechen. Knöpfe fallen nicht sofort ab. Und die indischen Designer haben oft ein glückliches Händchen. Die Preise für die Waren sind erstaunlich niedrig. Es wird bestimmt ein paar Grüne und Linke geben, die Kinderarbeit und Ausbeutung vermuten. Ist sicher auch etwas dran. Aber je mehr die Europäer kaufen, desto besser werden die Preise und mit besseren Preisen verbessern sich die Löhne. Das war in Deutschland im 19. Jahrhundert auch so, als Deutschland ein industrielles Schwellenland war. Indische Textilarbeiterinnen sind trotz niedriger Löhne im Schnitt deutlich besser gekleidet, als deutsche Kaufhausbesucherinnen. Das sollte man auch mal bedenken. Indische Konsumenten müssen ihre Sachen auch nicht jedes Jahr neu kaufen. Die Textilien halten deutlich länger. Der Autor hat vor 15 Jahren für 15 DM ein seidig schimmerndes sehr leichtes sommertaugliches indisches Oberhemd aus Baumwolle gekauft, welches am Kragen und an den Manschetten immer noch nicht durchgetragen ist und fast wie neu aussieht. Deutsche Oberhemden aus der Regierungszeit von Helmut Kohl gibt es in deutschen Kleiderschränken schon lange nicht mehr. Aus Qualitätsgründen.
Die Pariser Mode wird in sehr fragwürdiger und minderwertiger Qualität hergestellt. Knöpfe muß man oft nachnähen. Nähte versagen unverzüglich. Stoffe sind aus der untersten Schublade. Trotzdem sind diese Lumpen nicht günstig. Die Vermutung liegt nahe, daß die Hersteller von den Einkäufern zu schlechter Qualität angestiftet werden.
Internet-Anfänger sollten mit der Bildsuche im Google anfangen und „Blusen Indien“, „shirts india“, „clothes india“ „textile shops india“ usw. eingeben. Verkehrssprache für den Außenhandel ist leider Englisch. Da muß man wissen, wie die wichtigsten Kleidungsstücke heißen. Der Bayrische Rundfunk stellt in seinem Sprachkurs ein Bild items of clothes bereit. In der Bildsuche stößt man unweigerlich auf Shops. Es gibt natürlich viel traditionelle Kleidung. Man muß sich nicht unbedingt Saris, Dhotis und Kortas bestellen, mit denen man in Deutschland etwas disloziert wirken würde. Viele Tuniken, Hemden, Blusen und andere Kleidungsstücke werden so hergestellt, wie man sie in Mitteleuropa trägt. Großes Aufsehen bei seinen Freundinnen wird man vor allem wegen der Qualität der Stoffe erregen.
Die Oma sagte immer: „Wer billig kauft, kauft doppelt“. Das trifft auf die indische Ware nicht zu. Sie ist extrem haltbar und langlebig. Wer Pariser „Mode“ kauft, kauft jedes Jahr neu. Wir sollten die ausgetretenen Vertriebswege für Kleidung eine Weile meiden, um die diktatorischen Modezaren zu entmachten. Wir brauchen endlich eine demokratische Einkaufskultur mit mehr Vielfalt. Die gibt es schon – vorerst leider nur im Internet.
5 Kommentare
Mich k*tzt das Kleidungsangebot in D schon seit Jahren an!
Ich sehe hier aber auch einen klaren gesellschaftspolitischen Auftrag, ausgehend von den USA. Hand in Hand mit den Medien werden die Menschen gehirngewaschen und Lumpen als "Style" verkauft!
Zerrissene Hosen, verwaschen, zu groß (Baggy-Style), used-Look, schmutzige Farben (wann haben Sie das letzte Mal jemanden z.B. in leuchtendem Gelb gesehen?), zu große minderwertige Kapuzenshirts ("Rapper-Style") ... usw. sind alles Kleidungsstücke eines Bettlers!
Genau daran soll sich das Volk gewöhnen - zerrissene Lumpen - etwas Besseres hat es nicht zu erwarten!
Statt sich für das Obdachlosen-Outfit zu schämen, sollen sich die (jungen) Leute sogar noch cool finden!
Die einstmals stolzen, wohlhabenden Deutschen (und US-Amerikaner) sind in Lumpenproletarier verwandelt worden!
Aber nicht mit mir!
Mittelfinger
"Wir brauchen endlich eine demokratische Einkaufskultur mit mehr Vielfalt. Die gibt es schon – vorerst leider nur im Internet."
Wir brauchen vor allem mehr Textilhersteller die ausschließlich in Deutschland produzieren (mein Trigema Polo war seine 60€ mehr als Wert, sogar bei 60 Grad waschbar!!!).
was Sie da sehen ist ausschliesslich für den Export bestimmt.
Wenn Sie in Indien auf der Strasse herumlaufen, finden Sie die Menschen ebenso in Lumpen gekleidet wie in Deutschland. Allerdings ist die Qualität im Schnitt noch um Klassen schlechter als der deutsche Bodensatz des Marktes.
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